Thüringen führt Gemeinschaftsschulen ein

BILDUNG Das CDU-regierte Thüringen plant Schulen für alle von Klasse eins bis acht – auf Druck der SPD

DRESDEN taz | Über zwanzig Jahre nach der Wende können in Thüringen wieder Schüler gemeinsam bis zur achten Klasse lernen. Nach zähem Ringen einigten sich die Regierungsmitglieder von SPD und CDU am Dienstag auf die Gemeinschaftsschule als neue reguläre Schulart. Ein Gesetz soll im Herbst vom Landtag beschlossen werden. SPD-Bildungsminister Christoph Matschie ist zuversichtlich, dass dieser zustimmt: „Wir haben uns jetzt in der Substanz geeinigt“, sagte er der taz.

Schon im Herbst könnten die sieben bereits angemeldeten Gemeinschaftsschulen starten, weitere 40 haben Interesse signalisiert. In Gemeinschaftsschulen werden Kinder erst nach Klasse acht in verschiedene Bildungsgänge einsortiert und können auch das Abitur ablegen.

In Thüringen bestimmte die CDU lange die Schulpolitik. Sie beharrte auf der Trennung in Regelschüler und Gymnasiasten bereits nach der vierten Klasse. Nach dem desaströsen Wahlergebnis machte die CDU im Oktober 2009 Zugeständnisse an die zwischen Rot, Grün und Schwarz schwankende SPD.

Allerdings gab Matschie in einem entscheidenden Punkt nach: Künftige Gemeinschaftsschulen müssen zuvor die Landkreise und Städte überzeugen. Die 17 Thüringer Landräte sprachen sich Anfang Juni gegen ein übereiltes „Experiment“ Gemeinschaftsschule aus. Die neue Schulart dürfe nicht zu Lasten bestehender Schulstrukturen eingeführt werden.

Doch behielt sich Matschies Ministerium die Letztentscheidung vor: „Wir werden nur Konzepte genehmigen, die überzeugend sind, haben aber sichergestellt, dass ein Schulträger eine Gemeinschaftsschule nicht blockieren kann“, sagte Matschie.

In der SPD ist man von einer „Abstimmung mit den Füßen“ überzeugt. Nach Umfragen sprechen sich 70 Prozent der Eltern für längeres gemeinsames Lernen ihrer Kinder aus.

Als eine Art Gegenleistung hat die CDU inzwischen nach sächsischem Muster die Weiterentwicklung der Regelschule zur Oberschule entdeckt. Die Regelschulen genießen als „Restschulen“ gegenüber dem Gymnasium einen schlechten Ruf.

Auch in anderen CDU-regierten ostdeutschen Ländern bleibt das längere gemeinsame Lernen im Gespräch. Der überparteiliche Bildungskonvent in Sachsen-Anhalt empfahl im Juni, solche Schularten zu prüfen. MIBA, ALE