Hartz-Ombudsrat will Mindestlohn

Ombudsfrau Bergmann kritisiert schlecht organisierte Arbeitsvermittlung. Außerdem müsse öffentliche Beschäftigung für unvermittelbare Arbeitslose sowie ein Mindestlohn her. Heute legt der Ombudsrat Müntefering den Abschlussbericht vor

VON ULRIKE WINKELMANN

Harsche Kritik übt der Hartz-IV-Ombudsrat an der von ihm begleiteten Arbeitsmarktreform. Heute will das Gremium aus Exfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), dem Exministerpräsidenten Sachsens Kurt Biedenkopf (CDU) und dem Ex-IG BCE-Chef Hermann Rappe seinen Abschlussbericht vorlegen.

Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), hieß es gestern aus seinem Hause, werde dazu Stellung nehmen – und „sicherlich Anregungen auch aufnehmen.“

Ombudsfrau Bergmann erklärte gestern der taz, der Rat benenne drei Hauptprobleme in seinem 40-seitigen Bericht. Erstens sei „nicht zu übersehen“, dass die Arbeitsvermittlung schlecht organisiert sei. Die hälftige Besetzung der Arbeitsgemeinschaften (Argen) durch Kommunen und Bundesagentur für Arbeit (BA) sei „nicht das Gelbe vom Ei“, sondern das unpraktikable Ergebnis des Kompromisses 2004 zwischen rot-grüner Regierung und den Unions-Ministerpräsidenten.

„Es gibt unendliche Abstimmungsprozesse, die Geschäftsführer haben zu geringe Kompetenzen“, zählte Bergmann auf. „Die Leute in den Argen ackern wie verrückt, aber es fehlen Zeit und Kraft für die eigentliche Aufgabe.“ Auch die 69 „Optionskommunen“, die sich ohne BA um die Arbeitslosen kümmern, litten unter Abstimmungsproblemen.

Zweites Manko der Reform sei, dass mit den Ein-Euro-Jobs zu wenig zur Beschäftigung der schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen getan sei. „Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor muss wieder her“, sagte Bergmann. Der Ombudsrat schließt sich darin der BA und einer wachsenden Zahl von Arbeitsmarktpolitikern an.

Zuletzt sprachen auch die Grünen von rund 400.000 Menschen, die entweder zu schlecht ausgebildet oder zu alt sind, um noch in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, aber auf jeden Fall sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden sollten. Zwar wird dabei der Begriff „ABM“ immer vermieden, weil mit den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Ära Helmut Kohl auch schlechte Erfahrungen gemacht wurden. Doch gemeint ist in etwa das Gleiche.

Drittens sei sich der Ombudsrat einig, dass ein Mindestlohn her müsse, sagte Bergmann. Rund eine Million Menschen müssten ihre geringen Einkommen schon über Hartz IV aufstocken. Der Regelsatz des Arbeitslosengelds II (345 Euro) „ist mit Sicherheit nicht zu hoch“, sagte Bergmann, – „aber was ist, wenn immer mehr Menschen weniger als ALG II verdienen?“ Mit Hartz IV sei faktisch ein Kombilohn geschaffen worden – aber kein Mindestlohn. „Das kann man nicht hinnehmen.“

Die große Koalition will im Herbst einen weiteren Hartz-Umbau vornehmen, mit dem nach Plan der Union der Sektor staatlich subventionierter „Kombilöhne“ ausgeweitet wird. Die SPD weiß noch nicht so recht, was für einen Mindestlohn sie will. Die Gewerkschaften fordern einen nationalen Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde, die Linkspartei verlangt 8 Euro.

Die aktuelle Hartz-Missbrauchsdebatte führe auf Abwege, sagte Bergmann: „Die mies bezahlten Jobs werden ja genommen.“ Der Rat habe zehntausende Beschwerden verarbeitet – „einer, der ein Angebot unzumutbar fand, war nicht dabei.“

Mit der Vorlage des Abschlussberichts ist die Arbeit des Rats beendet. Er wurde im November 2004 vom damaligen Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) berufen, um den Imageschaden durch die Arbeitsmarktreform zu reduzieren. Neben der Bearbeitung von Beschwerden haben die Ombudsleute vor allem die Reformumsetzung vor Ort begleitet. Vor einem Jahr verlangte der Ombudsrat in seinem Zwischenbericht die Angleichung der ALG-II-Sätze West und Ost. Dies ist mittlerweile geschehen.