Betreuung rundherum

Heute verabschiedet das Kabinett den Elterngeld-Entwurf. Start der taz-Serie: Elternzeiten anderswo. Teil I: Finnland

„Ich kann mir das nur leisten, weil meine Firma mir etwas drauflegt.“ Fredric Söderberg ist in Vaterurlaub. Als Sohn Oscar ein halbes Jahr alt wurde, hat sich der Versicherungsmanager aus Helsinki für zwei Monate aus dem Job verabschiedet. Dafür konnte seine Frau Mervi nach jeweils drei Monaten Mutterschafts- und Erziehungsurlaub wieder in ihren Beruf als Lehrerin zurückkehren. „Passenderweise läuft meine Auszeit genau mit Beginn der Schulferien aus.“ Der Finne lacht: „Aber das haben wir nicht geplant.“

Finnland ist nicht nur für sein Bildungs-, sondern auch für sein Sozialsystem im Ausland berühmt. Jetzt, wo es im Jubiläumsjahr der hundertjährigen Einführung des Frauenwahlrechts die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will sich Finnland erst recht als vorbildliches Land in puncto Gleichberechtigung zeigen. Derzeit liegt die Frauenerwerbstätigenquote bei 74 Prozent, die Geburtenrate bei 1,75 Kindern pro Frau.

Allerdings: Im skandinavischen Vergleich ist es mit der Familienpolitik nicht so weit her. In Finnland gibt es nur neun Monate Elternurlaub, keiner ist für den Vater reserviert. Die Höhe des Elterngeldes ist niedriger als bei den schwedischen Nachbarn: 15,20 Euro pro Tag bekommen Erwerbslose, 70 Prozent des Bruttogehalts (je nach Kinderzahl bis zu einer Grenze von 3.200 Euro) zahlt der Staat Personen mit geringem und mittlerem Einkommen. In Schweden sind es 20 Euro pro Tag und 80 Prozent Lohnersatz.

Wenn Fredric als gut bezahlter Versicherungsmanager zu Hause bleibt, dann nur, weil seine Firma wie viele andere Großunternehmen schon vor Jahren eine betriebliche Regelung eingeführt hat, die ihm 80 Prozent seines Einkommens sichert. „In vielen Branchen ist das zu einem wichtigen Faktor geworden, um kompetente junge Leute anzulocken“, sagt Fredric. „Und das rechnet sich offenbar.“

Wenn nach den Sommerferien Frederic und Mervi wieder arbeiten, springt für die weitere Kinderbetreuung ein System ein, auf das Finnland durchaus stolz sein kann: Nach Ende des gesetzlichen Mutterschafts- und Elternurlaubs haben alle Kinder im nichtschulpflichtigen Alter Anspruch auf kommunale Ganztagsbetreuung. Bei Bedarf gibt es für die Kurzen Betreuungsangebote vom frühen Vormittag bis in die späte Nacht. Zur Wahl stehen Kindertagesstätten und Tagesmütter.

Die Gebühren für die Betreuung sind einkommensabhängig. Mervi und Fredric müssen den Höchstsatz von 200 Euro im Monat zahlen. Eltern, die den Rechtsanspruch auf öffentliche Ganztagsbetreuung nicht wahrnehmen möchten, können für jedes Kind bis zu drei Jahren einen direkten Betreuungszuschuss von monatlich etwa 294 Euro beantragen. Und davon könnten sie beispielsweise auf eigene Faust die Oma engagieren. REINHARD WOLFF