Eine Mordserie im Hintergrund

Die grausame Kette von Morden an türkischen Geschäftsinhabern erschreckt die Community. In Dortmund wollen Angehörige eines Opfers am Sonntag schweigend demonstrieren

Mit einem Schweigemarsch wollen am Sonntag Angehörige gemeinsam mit türkischen Kulturvereinen Mehmet Kubasik gedenken. Und sich ihrer Hilflosigkeit gegenüber dem Unfassbaren entgegenstellen. „Stoppt die Mörder“ lautet das Motto, unter dem sie sich auf der Dortmunder Mallinckrodtstraße versammeln werden. Doch wie lassen sich Killer stoppen, von denen außer Kaltblütigkeit nichts bekannt ist?

Wer ermordete Mehmet Kubasik? Diese Frage bewegt nicht nur seine Hinterbliebenen. Am 4. April, um 13.10 Uhr, war der 39-jährige Kioskbesitzer tot in seinem Dortmunder Laden aufgefunden worden. Wer und was hinter seiner Erschießung steckt, liegt bis heute immer noch im Nebel. Nur eins ist sicher: Kubasik ist kein Einzelfall. Sein Tod steht in einer ganzen Reihe von Morden quer durch die Republik – von Nürnberg bis Rostock. Insgesamt starben seit September 2000 neun Menschen, die außer ihrem Migrationshintergrund nicht viel gemeinsam zu haben scheinen.

Neun Morde in fünfeinhalb Jahren, verteilt über das ganze Bundesgebiet: sechs Türken, zwei türkischstämmige Deutsche und ein Grieche. Was die Fälle so mysteriös macht: „Es gibt aber keine Motive, die bei allen Fällen übereinstimmen“, sagt Peter Grösch, Pressesprecher der Besondere Aufbauorganisation (BAO) Bosporus, die das bayerische Innenministerium im Juli 2005 ins Leben rief, um die Fahndung nach den Tätern besser zu vernetzen. Vergangenen Woche wurde auch in Hamburg eine Sonderkommission eingerichtet.

Das letzte Opfer, Halit Yozgat, wurde zwei Tage nach Kubasik in Kassel erschossen. „Wir arbeiten auf Hochtouren, können aber nicht ausschließen, dass es weitere Opfer geben wird“, warnt Grösch. Niemand weiß, wann und wo sie das nächste Mal zuschlagen. Sicher ist nur, dass sie stets dem gleichen Plan folgen. Sie schießen ihren Opfern immer mit der selben Waffe aus nächster Nähe in den Kopf. Tagsüber, zu Geschäftszeiten. Dass sie dabei keine Spuren hinterließen, deute auf Profis hin, so Grösch. „Das waren im weitesten Sinne Hinrichtungen“, so Grösch.

Der Ermittlungsaufwand der Polizei ist groß. 3,7 Millionen Funkdaten für Handys wurden ausgewertet, elf Millionen Kontobewegungen überprüft. Rund 100 Beamte arbeiten mittlerweile bundesweit an der Aufklärung der Fälle. Mit 300.000 Euro wurde eine der höchsten Belohnungen in der Kriminalgeschichte der Bundesrepublik ausgesetzt.

Fünf der neun Morde ereigneten sich in Bayern, davon allein drei in Nürnberg, wo die Mordserie im Herbst 2000 ihren Ausgang nahm. In Nürnberg wurden die mutmaßlichen Mörder auch zum ersten und letzten Mal gesehen. Passanten beobachten im Zusammenhang mit dem sechsten Mord an Ismail Yasar am 9. Juni 2005 in der Nähe des Tatortes zwei Männer auf Fahrrädern. Kurz darauf lädt das Duo die Räder auf einem Parkplatz in einen Van. Danach verliert sich ihre Spur. Die Beschreibungen ähneln dabei auffallend denen der Tatverdächtigen in einem anderen spektakulären Fall: dem Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, vier davon schwer. Ob es eine Verbindung gibt. „Es ist durchaus möglich“, sagt der Kölner Polizeisprecher Jürgen Laggies. „Aber“, so schränkt er gleich wieder ein: „eine heiße Spur ist das noch nicht, wir wissen nicht, ob eine Verbindung besteht“.