Nicht legal gerastert

betr.: „Körting: Ganz legal gerastert“, taz vom 24. 5. 06

Die in o.g. Artikel enthaltene Aussage von Innensenator Körting über die Verfassungsmäßigkeit der Rasterfahndung in den Jahren 2001/2002 in Berlin ist – so sie von Ihnen richtig wiedergegeben wurde, wovon ich ausgehe – nicht korrekt.

Der Landesverfassungsgerichtshof Berlin kam in seinem Beschluss vom 28. Mai 2004 nicht zu dem Ergebnis, dass die Rasterfahndung in Berlin verfassungskonform war. Vielmehr hat sich der Landesverfassungsgerichtshof mit dieser Frage der Rechtmäßigkeit überhaupt nicht auseinander gesetzt, sondern die Klage der drei Studenten der Humboldt-Universität, die gegen den Abgleich ihrer Daten mit Unterstützung des ReferentInnenrats der HU geklagt hatten, als unzulässig abgewiesen.

Als Begründung wurde angeführt, dass die Rasterfahndung zum Zeitpunkt der Entscheidung in Berlin bereits beendet gewesen sei und die Daten mangels „Treffern“ nach offiziellem Bekunden gelöscht worden waren. Nach Wegfall des Grundrechtseingriffs käme eine Annahme zur Entscheidung nur unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses der Kläger oder wegen Wiederholungsgefahr in Frage. Ersteres setzt einen besonders belastenden Grundrechtseingriff voraus, den der Landesverfassungsgerichtshof in der Rasterfahndung nicht zu erkennen vermochte, weil der interne Datenabgleich innerhalb der Behörde nicht nach außen trete und für den betroffenen Personenkreis daher keine spürbaren Auswirkungen haben könne.

Die Gefahr einer Wiederholung lehnt das Gericht mit der – etwas fadenscheinigen – Argumentation ab, dass jede folgende Rasterfahndung nicht mehr auf der Gefahrenprognose des 11. September 2001 basieren würde und daher kein Feststellungsinteresse erkennbar sei. Damit dürfte deutlich geworden sein, dass der Landesverfassungsgerichtshof von Berlin nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Rasterfahndung in Berlin 2001/2002 entschieden hat, sondern vielmehr alles daran gesetzt hat, darüber nicht zu entscheiden.

Daher ist das Parallelverfahren aus Duisburg, das jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, schon deswegen von präjustizierender Wirkung, weil die polizeigesetzlichen Regelungen zur Rasterfahndung in NRW mit der Berliner Regelung zum Zeitpunkt der Durchführung weitgehend identisch war. Ebenso die persönlichen Umstände der studentischen Kläger. Ganz im Gegenteil zu Körtings Auffassung steht somit außer Zweifel, dass die Rasterfahndung in Berlin ebenso verfassungswidrig war wie die in allen anderen Ländern, denn sie wurde bundesweit nach gleichen Kriterien geführt. Bleibt nur zu hoffen, dass das von der Berliner Justiz bisher nur stiefmütterlich behandelte Thema Datenschutz durch das Urteil aus Karlsruhe mehr Gewicht erhalten wird. Den durch die Rasterfahndung als „Terroristen“ stigmatisierten Klägern hätte das schon vor vier Jahren Recht getan. MICHA PLÖSE, Arbeitskreis kritischer

Juristinnen und Juristen