SPD opfert eine Richterin für Angela Merkel

Der industrienahe Rechtsprofessor Thomas von Danwitz löst die linke Juristin Ninon Colneric am EuGH ab

FREIBURG taz ■ Die SPD hat Kanzlerin Merkel am Wochenende einen Gefallen getan. Weil diese derzeit in den eigenen Reihen unter Beschuss steht, hat Franz Müntefering in einer wichtigen Personalie nachgegeben. Der wirtschaftsliberale Thomas von Danwitz wird neuer deutscher Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die eher linke Ninon Colneric bekommt keine zweite Amtszeit.

Die Auswechslung von Colneric ist vor allem deshalb ein politisches Signal, weil sie als Befürworterin einer ambitionierten Antidiskriminierungspolitik gilt. Merkel musste zuletzt viel Kritik von ihrer Basis einstecken, weil die Regierung auf Wunsch der SPD beim geplanten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz über die Vorgaben der EU hinausgeht und auch Behinderte, Alte und Homosexuelle vor Diskriminierungen im Geschäftsleben schützt.

Colneric war im Jahr 2000 von der rot-grünen Koalition ausgewählt worden. Zum ersten Mal schickte Deutschland eine Frau an den EU-Gerichtshof nach Luxemburg. Zuvor amtierte Colneric als Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein. Doch der CDU war die Richterin schon damals zu links, zu gewerkschaftsnah, zu feministisch. Es war klar, dass es in der großen Koalition Probleme mit einer zweiten Amtszeit für die 58-jährige Juristin geben würde.

Die SPD warb für Colneric, indem sie an das nationale Interesse appellierte. Ein Richter könne mehr Verständnis für die Besonderheiten des deutschen Rechts wecken, wenn er in der zweiten Amtszeit gut eingearbeitet und am Gericht etabliert sei. Doch der Appell verpuffte. Colneric darf nicht für weitere sechs Jahre nach Luxemburg. Deutschland verschenkt damit – wie schon so oft – die Chance für verstärkte Einflussnahme auf die Interpretation des EU-Rechts. Bereits Colnerics Vorgänger Ulrich Everling, Manfred Zuleeg und Günter Hirsch wurden trotz glänzender Reputation jeweils nach sechs Jahren aus politischen Gründen ausgewechselt. In Luxemburg schüttelt man darüber nur den Kopf.

Offiziell berief sich die CDU/CSU bei ihrem Widerstand gegen Colneric auf den politischen Proporz. Deutschland könne vier europäische Justizpositionen besetzen, doch in keinem Fall habe die Union das Vorschlagsrecht gehabt. Formal war das richtig, doch im Ergebnis nicht ganz überzeugend. Nur Renate Jaeger, die deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, ist Sozialdemokratin. Jörg Pirrung, Richter am Europäischen Gericht erster Instanz in Luxemburg, wurde noch von der Kohl-Regierung entsandt, allerdings auf Vorschlag der FDP. Juliane Kokott, die deutsche Generalanwältin am EuGH, die mit ihren Gutachten Luxemburger Urteile vorbereitet, ist parteilos und wird eher als konservativ eingeschätzt.

Nun wird also Thomas von Danwitz neuer EuGH-Richter. Der 44-Jährige ist Rechtsprofessor an der Kölner Universität und hat sich als Europarechtler einen sehr guten Ruf erworben. Für die Union dürfte aber auch seine Wirtschaftsfreundlichkeit zählen. Nach den Terror-Anschlägen von 2001 argumentierte von Danwitz, dass die AKW-Betreiber keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen finanzieren müssten. Aktuell lehnt er EU-Pläne ab, Werbung mit Gesundheitsangaben („fettarm“) besser zu kontrollieren. Dies sei eine „Entmündigung der Verbraucher“ und eine „hoheitliche Konsumlenkung“.

Außerdem ist von Danwitz für eine Stärkung der Grundrechte auf europäischer Ebene. Kein Wunder, denn im Europarecht nützen diese meist Unternehmern, die sich gegen EU-Vorgaben wehren wollen.

CHRISTIAN RATH