Wo alles begann

KREUZFAHRT Brütende Hitze, heiliges Wasser – eine Tour von Luxor nach Assuan

■  Beste Reisesaison ist der Winter, also November bis März/April. Die Temperaturen erreichen in dieser Zeit etwa 16 bis 20 Grad Celsius. Zwischen Mai und Oktober ist es sehr heiß, vor allem auf dem Nil und im Süden des Landes.

■  Nilreisen vermitteln: Ägyptisches Fremdenverkehrsamt, Kaiserstr. 66, 60311 Frankfurt am Main, Tel. (0 69) 25 21 53, www.egypt.travel/index.php? nav1=nilecruise; Sunrise Resorts & Cruises (betreibt die Kreuzfahrtschiffe „Sunrise Select“, „Semiramis I & II“), www.sunrisehotels-egypt.com, cruises@sunrisehotels-egypt.com

VON BARBARA GEIER

Hundertfünfzehn Meter Nil unter den Füßen, ein strahlend blauer Himmel über dem Hirn, 40 Grad Celsius auf der Haut – ruhig schiebt sich die „Semiramis II“ mit 17 Stundenkilometern durch das heilige Wasser des alten Ägyptens – eine Kreuzfahrt auf der Lebensader des Landes, das heute noch 97 Prozent seines Wassers dem Fluss entnimmt und auch Quelle für die Küche und die Duschen des Schiffes ist, im Maschinenraum gefiltert für den täglichen Bedarf. Am vorbeiziehenden Ufer spielen Kinder im Nil. „Die kriegen später Bilharziose“, meint Farrag Yussef, unser Fremdenführer zwischen Luxor und Assuan. Von einer Schnecke übertragen, führt die Krankheit zur Erblindung und hat der Nilbevölkerung schon vor viertausend Jahren das Leben schwergemacht.

Der drahtige 39-Jährige hat Glück gehabt, nach vierjährigem Germanistikstudium und nochmals vierjähriger Ausbildung zum Ägyptologen darf er nun Touristen durch Pyramiden, Tempel und andere Grabanlagen führen. Doch die Zeiten sind mies im Augenblick, die Nil-Touristen bleiben aus. 320 Schiffe fahren derzeit auf dem Fluss, „viel zu viel für die wenigen Touristen“, klagt Ayman A. Metaal, Chef der „Semiramis II“. 140 Passagiere könnte sie aufnehmen, 44 sind diesmal dabei.

Für Unentschlossene ist es deshalb schwer, eine Liege auf dem Schiffsdeck zu finden. Die Auswahl ist zu groß. Die blau-weißen Plastikruhemöbel sind leer, auch unter dem großen Sonnendach. Und nur ganz Verwegene lassen sich in der prallen Sonne nieder, bis die Haut verbrannt ist. Im flachen Pool können sie sich sitzend den Hintern abkühlen, für einen Schwimmzug reicht es nicht.

So bleibt bei flirrender Hitze ein sehnsüchtiger Blick auf das stille Wasser, über das die „Semiramis“ wegen der Sandbänke mit gerade einmal 170 cm Tiefgang fast ohne Wellengang gleitet, vorbei an grünen Uferstreifen. Seit Jahrtausenden gilt das Nildelta, sagt Yusuf, als fruchtbares Land, gedüngt mit dem Schlamm des regelmäßig überflutenden Nils. Seit der Assuan-Staudamm den Fluss gezähmt hat, ist es allerdings aus mit der fruchtbringenden Flutung von Äckern und Viehweiden. Bewässerungsgräben und chemischer Dünger übernehmen die Aufgabe, wie die Landausflüge über Kanäle und vorbei an Düngemittelfabriken zeigen, aus deren Schornsteinen schwefelgelbe Rauchschwaden steigen.

Unserer Kreuzfahrt auf dem wohltemperierten Schiff tut dies keinen Abbruch, das grüne Ufer, die weidenden Rinder und selbst die in Ruderbooten kreuzenden fliegenden Händler, die Baumwolltücher, Minipyramiden und anderen Nippes für Euro-gefüllte Plastikbeutel an Bord werfen wollen, vermitteln das wohlige Gefühl, eine uralte Kulturlandschaft komfortabel erleben zu dürfen. Auch die Grabräuberei ist kein neues Phänomen, erfahren wir. Kaum standen die ersten Pyramiden, schon räumten Diebe die goldgefüllten Grabkammern leer.

Doch die Zeiten sind mies im Augenblick, die Nil-Touristen bleiben aus

„Ägypten, wo alles beginnt“, wie die „neue globale Ägypten-Werbe-Kampagne“ verheißt, ist kaum nirgendwo näher als in Gizeh bei Kairo und eben auf dem Nil zwischen Luxor und Assuan mit seinen prächtigen pharaonischen Grabanlagen, dem Tal der Könige oder dem Tempel der unschön ums Leben gebrachten Hatshepsut. Früh morgens schon verlassen wir das Schiff für Besichtigungen in Edfu und Kom Ombo, um der schlimmsten Hitze zuvorzukommen. Ein anschließender Softdrink in der eiskalten Bar der „Semiramis“, ein Paradies für Raucher, lässt uns langsam wieder zu Kräften kommen. Und wenn das Schiff still vor Anker liegt, sind auch die Nachrichten aus der kalten Heimat nicht fern. Dann zeigt der Flachbildschirm im Doppelzimmer Neues per ARD und ZDF, wenngleich ein wenig verschneit.

Auch sonst fühlten wir uns stets auf der sicheren Seite. Zwei Polizisten bewachen das Wohlleben an Bord, und der private Sicherheitsmann steht nachts seinen Mann als Diskjockey. Selbst der Nil wird nicht mehr einfach seinem Schicksal überlassen. Er untersteht dem Geheimdienstchef Omar Sulaiman, ein enger Vertrauer des ägyptischen Präsidenten Mubarak, wie deutschen Medien zu entnehmen ist. Seit die Anrainerstaaten an den Oberläufen des Weißen und des Blauen Nils mehr Wasser für ihre wachsende Bevölkerung entnehmen wollen, bangt das Land um althergebrachte Rechte auf das kostbare Nass. Weniger Wasser könnte auch den Tourismus auf dem Nil gefährden, ein heftig umworbener Wirtschaftszweig. „Der Nil steht für die Faszination eines gigantischen Stroms“, verspricht uns noch die Reiseleitung, „für umweltfreundliches Reisen, für monumentale Stätten, für das Zusammenspiel der Naturgewalten und ewiges Leben.“

Wir nehmen es hin und genießen die üppige Verpflegung und den aufmerksamen Service an Bord. Unter diesen Bedingungen würden wir schon gerne ewig leben.