Sarkozys Pakistan-Connection

FRANKREICH Ein Polizeibericht legt nahe, dass Frankreichs Präsident in den 90er-Jahren hinter einem System von Schmiergeldzahlungen und illegaler Wahlkampffinanzierung steckte

Vermittler wurden offiziell geschmiert – zum Teil floss das Geld illegal zurück

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Ein Bericht der luxemburgischen Polizei über Schmiergeldzahlungen der französischen Regierung im Zusammenhang mit Waffengeschäften setzt den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unter Druck. Sein Name fällt mehrfach in diesem Bericht, der nun vom französischen Internet-Informationsdienst „Médiapart“ auszugsweise veröffentlicht worden ist.

Sarkozy soll bei Rüstungsgeschäften mit Pakistan Mitte der Neunzigerjahre als damaliger Haushaltsminister eine Schlüsselrolle bei der Zahlung von Provisionsgeldern gespielt haben. Der Verkauf von Agosta-Unterseebooten durch die staatlichen Werften der DCN musste gebührend geschmiert werden. Für die Ermittler steht fest, dass ein erheblicher Teil der insgesamt 83 Millionen Euro, die für die Unterhändler bestimmt waren, nach Frankreich zurückgeflossen ist, um den von Sarkozy geleiteten Wahlkampf Édouard Balladurs zu finanzieren. Zum Zweck der möglichst diskreten Geldüberweisungen wurde in Luxemburg mit Sarkozys ausdrücklicher Genehmigung die Offshore-Gesellschaft Heine SA gegründet.

Bei der Durchsuchung bei dieser Firma stellten die luxemburgischen Beamten neben anderen Dokumenten eine handschriftliche Chronologie der Aktivitäten von Heine SA sicher, in der zu den Überweisungen steht: „Zum Bezahlen der Kampagne BAL“. Expremierminister Balladur, der 1995 erfolglos gegen seinen Parteikollegen Jacques Chirac kandidierte, dementiert entrüstet, dass er je Geld aus dem Rüstungsgeschäft mit Pakistan kassiert habe. Sarkozy meinte schon vor einem Jahr zu den Anschuldigungen, das sei nur eine „Märchen“. „Médiapart“ dagegen sagt, der französische Präsident stehe jetzt unter dringendem Verdacht, „ab 1994 der Architekt eines geheimen Apparats zur illegalen Finanzierung der Präsidentschaftskampagne seines Mentors Balladur“ gewesen zu sein. Wie eng Sarkozys Kontakte zu Heine SA noch unlängst waren, belegen die Luxemburger Ermittler damit, dass er noch im November 2006, als er Innenminister war, um Instruktionen gebeten wurde.

Die ganze Korruptionsaffäre wäre womöglich nicht neu aufgerollt worden, wenn nicht ein Untersuchungsrichter auf eine überraschende Verbindung zu einem Attentat in Pakistan gestoßen wäre. In Karatschi wurden im Mai 2002 bei einem Sprengstoffanschlag elf Mitarbeiter der französischen Rüstungswerft DCN und vier Pakistaner getötet. Der Terrorakt wurde sofort al-Qaida angelastet. In Wirklichkeit aber soll es sich um eine Revanche wütender pakistanischer Partner der DCN handeln. Nach seiner Wahl ließ der neue Präsident Chirac nämlich die Zahlung der noch ausstehenden Provisionen stoppen. Auch er habe vermutet, dass ein Teil der Schmiergelder durch die Hintertür in die Wahlkasse seines Rivalen Balladur geflossen waren.

Davon ist der Anwalt der Attentatsopfer, Olivier Morice, ohnehin überzeugt. Es überrascht ihn nicht, dass die Spuren dieser Affäre nun an die französische Staatsspitze führen: Der Luxemburger Bericht zeige, „dass Nicolas Sarkozy zum Kern der Korruption gehört und dass er die Familien (der Opfer von Karatschi) belogen hat. Wir haben es da nicht mit einem Märchen zu tun, sondern mit einer Staatslüge.“ Er fordert Sarkozys Rücktritt.

Alles, was mit den Rüstungsgeschäften der DCN zusammenhängt, unterliegt in Frankreich der militärischen Geheimhaltung. Der sozialistische Abgeordnete Bernard Cazeneuve meinte außerdem als Sprecher der parlamentarischen Kommission, die sich mit dem Korruptionsverdacht beschäftigt: „Man muss davon ausgehen, dass die französische Polizei nicht alle ihr zugänglichen Elemente auswerten konnte, die Fortschritte in der Untersuchung ermöglicht hätten.“

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