Nur noch verhaltenes Misstrauen

BILDUNG Die Lenau-Grundschule in Kreuzberg kämpft gegen ihr schlechtes Image, eine „Migrantenschule“ zu sein – mit Erfolg: Immer mehr Bildungsbürger melden sich an

Als Susanne Eschke den Schulhof der Lenauschule besuchte, dachte sie nur: „Kaum deutsche Kinder hier“

VON EBRU TASDEMIR

Eigentlich wollte Aysegül Özkan auf keinen Fall, dass ihre Tochter an die Lenauschule kommt: „Ich habe alles Mögliche probiert.“ Wenig Gutes hat sie über diese Schule gehört. Damit spricht sie vielen der Eltern aus der Seele, die am Dienstagabend in die Passionskirche zur Filmvorführung des Films „Es war einmal ein Zebra“ gekommen sind. In der anschließenden Diskussionsrunde stellt sich die Leitung der Lenauschule den Anwürfen.

Als Susanne Eschke den Schulhof der Lenauschule besuchte, dachte sie nur: „Kaum deutsche Kinder hier“, erzählt sie am Rande der Veranstaltung. Und fährt fort: Diese Schule habe kein Migrantenproblem, sondern ein „Schichtenproblem“. Dies wird von der Schulleitung auch nicht bezweifelt. Deshalb bemüht sie sich vor allem um die Eltern aus dem Einzugsbereich, die ihre Kinder an den beliebten Schulen anmelden. An Schulen wie der Charlotte-Salomon-Grundschule etwa oder der Reinhardtswald-Grundschule ist der Anteil von sogenannten NdH-Kindern (also Nicht-deutscher Herkunft) mit 40 Prozent nur halb so hoch wie bei der Lenauschule. Dort gibt es viel mehr Anmeldungen als Plätze. So kommt es zu Mauscheleien: In diesem Schuljahr gab es 40 Neuanmeldungen durch Umzug in den Einzugsbereich der Charlotte-Salomon-Grundschule. So versuchen viele Eltern, und nicht nur deutsche, ihre Kinder vor der „Kreuzberger Mischung“ zu bewahren.

Nur das Beste fürs Kind

Für viele Kreuzberger Bildungsbürger stellt der NdH-Anteil einer Schule den Indikator für eine gute oder schlechte Schule. Je höher der Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Herkunft, desto schlechter stehen die Chancen fürs eigene Kind, an dieser Schule gefördert zu werden, so das allgemeine Vorurteil. Die Lenauschule versucht die Bildungsbürger zu überzeugen, es trotzdem zu versuchen: mit Einzelgesprächen, Hospitationsangeboten an interessierte Eltern und Schulaktionen.

Bei Wiebke Rösler hat es gewirkt. Sie habe den „Zirkus“ nicht mitmachen wollen. Freudestrahlend erzählt sie, dass sie ihr Kind gemeinsam mit sechs anderen Kindern in einer Klasse angemeldet habe und sehr zuversichtlich sei.

Auch die anderen beiden Mütter lassen sich nach der Diskussionsrunde breitschlagen und melden ihre Kinder in der gleichen Klasse an – ein zusätzlicher Bonbon, den die Schulleiterin Karola Klawuhn den besorgten Eltern anbietet. Bertram Beer, einer der Gesamtelternvertreter und Vorsitzender des Fördervereins der Lenauschule, stand vor einigen Jahren vor dem gleichen Dilemma: wegziehen oder woanders anmelden. Die Entscheidung, das Kind trotzdem an der Lenau-Grundschule anzumelden, war eine schwere. Die er bis heute nicht bereut hat und nun besorgten Eltern den Weg auf die Grundschule in ihrem Einzugsgebiet ebnen möchte.

Es scheint zu fruchten: Die Anmeldezahlen steigen jeden Tag ein kleines bisschen mehr. Bis zum 11. Juni könnten sich diese noch weiter ändern, denn dieser Tag ist Stichtag für die letzten Anmeldungen. Am heutigen Freitag findet ein Schulfest auf dem Gelände statt. Davon erhoffen sich Bertram Beer und die Schulleitung weitere Eltern von Wackelkandidaten zu „Lenauschulen“-Eltern zu gewinnen.

■ Heute: Schulfest in der Lenauschule, Nostitzstr., Kreuzberg, 15 Uhr bis 18 Uhr