Kino des genauen Blicks

SOZIALFILM Beim Mittwoch beginnenden Filmfest Emden-Norderney erzählt der Bremer Filmemacher Eike Besuden die Geschichte des jüdischen, in Emden aufgewachsenen Widerstandkämpfers Max Windmüller

Nicht umsonst wurde das Filmfest Emden von der Volkshochschule gegründet

Das Internationale Filmfest Emden-Norderney ist dem realistischen, sozialen Kino verpflichtet. Nicht umsonst wurde es von der Volkshochschule gegründet, die auch heute noch für die Organisation zuständig ist. So gibt es neben dem Bernhard Wicki Preis, den das Publikum in den letzten Jahren meist an die schwierigen, politisch gewichtigen Filme verliehen hat, auch einen DGB-Filmpreis. Und unter den 89 Filmen aus 23 Ländern, die in den nächsten Tagen gezeigt werden, sind auch diesmal wieder viele Dokumentarfilme, in denen soziale Themen behandelt werden.

Der Bremer Regisseur und Produzent Eike Besuden („Verrückt nach Paris“) zeigt gleich zwei Filme, die beide gerade so fertig geworden sind, und von denen zumindest einer unbedingt in Emden seine Weltpremiere haben muss: In „Deckname Cor“ erzählt er die Lebensgeschichte von Max Windmüller. Der wuchs in den 1920er Jahren als Sohn eines jüdischen Schlachters in Emden auf, emigrierte nach der Machtübernahme durch die Nazis nach Holland, arbeitete dort während der Besetzung des Landes im Widerstand und schmuggelte jüdische Flüchtlinge durch Frankreich nach Spanien.

Eike Besuden fand in Israel noch erstaunlich viele Zeitzeugen, aber er wusste, dass er sich mit dem Film beeilen musste, weil diese schon sehr alt waren. Bei diesem Termindruck überrascht der Aufwand und die Sorgfalt, mit denen Besuden diese Lebensgeschichte erzählt. Neben den sprechenden Köpfen der Zeitzeugen, vielen Fotos und Archivaufnahmen gibt es auch Schlüsselszenen, die er mit Schauspielern nachgestellt hat. So zeigt er etwa, wie Max Windmüller – schon auf einem Schiff nach Palästina – von einem Aktivisten dazu überredet wurde, in Holland zu bleiben und dort den Widerstand mit aufzubauen. Eindrucksvoll ist auch eine Szene, in der gezeigt wird, wie eng die Dachkammer war, in der zwei jüdische Mädchen von Holländern versteckt wurden.

Die Hauptdarsteller von Besudens anderem Film „Faust II – reloaded“ kommen aus Bremens Problemstadtteil Tenever. Dort wurde in einem Projekt der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit 400 Schülern der Gesamtschule eine Oper eingeübt und aufgeführt, die auf Goethes Stück basiert.

Es gibt inzwischen ja einige, zum Teil extrem erfolgreiche Dokumentationen, in denen eine ähnliche Geschichte erzählt wird, und der dramaturgische Bogen ist vorhersehbar: Da verzweifeln die Theaterregisseurin, die Choreografin und, besonders theatralisch, der Schauspieler Dominique Horwitz an der chaotischen Masse von unkonzentriert zappelnden Schülern. Krisen wie ein Unwetter bei der wichtigsten Probe im Freien müssen überwunden werden, und am Schluss ist die Premiere dann ein umso größerer Triumph.

Doch solch eine Arbeitssituation ist filmisch auch sehr fruchtbar. Sowohl die professionellen Schauspieler als auch die Schüler müssen lernen, ihre Grenzen zu überwinden. Das ist immer interessant und zum Teil auch erstaunlich bewegend. Die schwerste Arbeit bei solch einem Projekt, bei dem die Kameraleute einfach so viel aufnehmen wie möglich, ist der Schnitt, und so kann man Besuden nur dafür loben, dass es ihm gelungen ist, aus den 60 Stunden Filmmaterial einen in sich schlüssigen, unterhaltsamen und manchmal sehr komischen Film zu machen.

Einige der besten Einstellungen wurden übrigens von den Schülern der Videoklasse selber gefilmt, die mit einer Digitalkamera nur herumzualbern schienen. Gerade so fingen sie aber am wahrhaftigsten die Stimmung ein. WILFRIED HIPPEN

Filmfest Emden-Norderney, bis 9. Juni. Eröffnungsfilm: „Max Manus“, mit Ken Duken. 2. Juni, 19 Uhr, Neues Theater, Emden