MIGRATIONSKRISE

Abfangen im Atlantik

Eine „Schnelle Eingreiftruppe“ der EU soll vor Westafrika die illegale Migration auf die Kanaren stoppen. EU-Kommissar Franci Frattini kündigte am Dienstag an, die neue EU-Grenzbehörde „Frontex“ werde in den nächsten zwei Wochen eine Überwachungsmission aus Flugzeugen und Schiffen mit Soldaten und Polizisten zusammenstellen, um die Küste Westafrikas bis hinunter nach Senegal und Gambia zu bewachen. Acht EU-Staaten hätten schon ihre Bereitschaft erklärt, „ihre Solidarität zu zeigen und uns Schnellboote und Aufklärungsflugzeuge zu überlassen“, so Frattini.

Deutschland beteiligt sich nicht an dieser Task Force. „Ein Einsatz deutscher Grenzschutzhubschrauber oder Sicherungsschiffe ist derzeit nicht vorgesehen, insbesondere wegen des Bedarfs bei der Fußball-Weltmeisterschaft und der Herausforderungen im eigenen Land“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zur taz.

Mit Massenfestnahmen und Schnellprozessen geht Senegal, von wo die meisten der auf den Kanaren ankommenden Afrikaner ihre Reise antreten, gegen die illegale Migration vor. In einer Serie von Razzien zwischen dem 17. und 22. Mai nahmen Polizei, Armee und Gendarmerie in Senegals Küstenstädten 1.501 Auswanderer und 60 „Schleuser“ fest. 20 Boote, 70 Treibstofffässer und 27 Millionen CFA-Francs (rund 41.000 Euro) wurden beschlagnahmt. Seit Dienstag stehen immer wieder Gruppen gefangener Emigranten vor einem Schnellgericht in Senegals Hauptstadt Dakar, angeklagt unter dem Menschenhandelsgesetz. Am Dienstag wurden 13 Jugendliche zu je zehn Tagen Haft verurteilt. Am Mittwoch gab es zwei Jahre Haft, darunter eines auf Bewährung, für den Fischer Babacar Ndiaye, der Emigranten am Strand von Dakars Fischerviertel Yarakh ein Boot gegen Geld zur Verfügung gestellt hatte; Bewährungsstrafen und Haftstrafen von bis zu zwei Monaten für die Migranten selbst.

Die Krise der Fischerei in Senegal wird von den Medien des Landes als Hauptgrund für die neue Emigrationswelle genannt. Senegals Außenminister Cheikh Tidiane Gadio kritisierte jüngst zwar „notorische Schmuggler und Illusionisten, die die Jugendlichen in fragile Boote setzen, ihnen eine ruhige Überfahrt und einen Empfang bei der Ankunft versprechen“. Viele dieser „Schmuggler“ sind jedoch einfache Fischer, die ihre Familien nicht mehr mit ihrer angestammten Tätigkeit ernähren können und sich ein Zubrot damit verdienen, Boote zu verkaufen oder zu verleihen. Übereinstimmend heißt es, Migranten zahlten den Fischern 250.000 bis 500.000 CFA-Francs (381 bis 762 Euro), um auf eine Passagierliste zu kommen. Manche Fischer stechen auch selbst in See. Im Fischerviertel Guet-Ndar der nordsenegalesischen Hafenstadt Saint-Louis sollen allein dieses Jahr 3.000 Bewohner nach Spanien ausgewandert sein, weil sie von der Fischerei nicht mehr leben können. Der senegalesische Sozialarbeiterverband CAAS kritisiert, das zunehmend repressive Vorgehen der Behörden gegen Migranten „vertieft die Revolte der Jugend und ihre Ablehnung des eigenen Landes“. DOMINIC JOHNSON