„Der Club ist amtlich“

VIDEO Die Ausstellung „Screendancing“ zeigt die klassische Berliner VJ-Kultur. Kurator Klaus Kotai über Autorenclubs und Dienstleister

■ Klaus Kotai ist gebürtiger Wiener. Seit 1994 lebt er in Berlin. Kotai war Mitbegründer des Labels Elektro Music Dept. und des legendären Clubs Panasonic. Mit Torsten Oetken hat er „Screendancing“ kuratiert. Die Schau zeigt bis 3. Juni Arbeiten von acht VJs aus den Jahren 1999–2003, die einst in Berliner Clubs zu sehen waren: Visomat Inc, Pfadfinderei, Lillevan, Daniel Pflumm, Jörg X. Franzmann, monitor.automatique, JUTOJO und u-matic. Am Samstagabend ab 22 Uhr werden Bass Dee und Feed Platten auflegen, für die bewegten Bilder sind visomat inc. und die Pfadfinderei zuständig. HBC, Karl-Liebknecht-Str. 9, Mitte.

INTERVIEW ULRICH GUTMAIR

taz: Herr Kotai, wir sitzen hier inmitten von flimmernden Videobildern auf acht Monitoren. Was gibt es hier zu sehen?

Klaus Kotai: Eine Retrospektive von Berliner Clubvisuals Ende der Neunziger. Es sind acht Künstler vertreten, die auf jeweils einem Monitor ihr Werk zeigen. Die Ausstellung wurde von Torsten Oetken von visomat inc. und mir zusammen kuratiert, wir haben die Arbeiten nach Auffälligkeit und Präsenz ausgewählt.

Kann man solche Arbeiten heute noch in Berliner Clubs sehen?

Nein, das ist nicht mehr präsent. Das Problem war, dass das VJing irgendwann als erweiterte Lichtmaschine betrachtet wurde. Und weil die Clubs heute den VJs keine Plattform mehr bieten, ist das vorbei. Der Musikproduzent kann seine Werke im Plattenladen anbieten, wenn sich das Clubpublikum nicht dafür interessiert. Der Künstler hat die Galerie. Die VJs aber hatten außerhalb des Clubs keinen Ort.

Wie ist das VJing entstanden?

In den Neunzigern, in dieser Cross-over-Zeit, wurden in vielen Berliner Clubs bewegte Bilder gezeigt, pittoreske Filme – oder was auch immer. Da hat es sich dann auch ergeben, dass VJs analog zu DJs live bewegte Bilder mischen. Das WMF hat dann sogar eine feste VJ-Reihe eingerichtet.

Daniel Pflumm, von dem hier Arbeiten zu sehen sind, hat im Elektro Videos gezeigt, etwa das legendäre „Hallo TV“. Sie wiederum haben mit Mo Loschelder das Elektro Music Dept. gemacht und dort auch eigene Platten veröffentlicht.

Pflumm hat die Videos zu den Tracks produziert. Damals gab es Spezialsendungen auf Viva und MTV, wo diese Videos auch gelaufen sind. Franzmann, der hier auch vertreten ist, hat für das Label Perlon Videos gemacht. Seitdem aber diese Spezialsendungen nicht mehr existieren, ist diese Plattform auch weg.

Es gibt hier von monitor.automatique eine Arbeit, wo sich Leute vor der Kamera zeigen.

Die Idee war schön, das Ergebnis aber leider nur Klamauk. Weil jeder nur in die Kamera gegrinst hat. Das erschöpft sich schnell.

Die klassischen VJ-Arbeiten zeigen Muster, technische Signale, Architekturen oder eben den Raver selbst. Was sagt uns das?

Das zeigt, dass man vor allem selbstbezüglich gearbeitet hat. Dass man sehr rhythmisch und oft – wie ich finde – zu hektisch versucht hat, die Musik zu unterstützen. Auch wenn politische Inhalte angesprochen werden, wie etwa in dem hier zu sehenden Video von Lillevan, also Bilder aus dem Ersten Weltkrieg, alte Geräte, Soldaten, die geloopt werden, dann laufen auch die zu schnell ab, als dass man sie wirklich verfolgen könnte. Das führt zu einer gewissen Ermüdung beim Zuschauen. Wenn man wie hier vier Monitore nebeneinander sieht, dann verstärkt sich dieses Moment noch.

Clubkultur handelt auch vom Verschwinden. Vom Eintauchen in eine Welt, in der andere Regeln als am Tag gelten.

Im Club kann man gut herausfinden, wie man die Leute zum Hinschauen bringt, provokativ

Das gilt für den subkulturellen Ort. Aber darüber hinaus gibt es auch ein künstlerisches Werk. Die Musik, die Diskussion, die Bilder. Die gab und gibt es immer, auch wenn das im Fall von Clubs zu verschwinden scheint. Das gilt auch für die Visuals. Das Berghain etwa könnte sich auch mehr für Visuals interessieren. Da ist Franzmann im Prinzip der Einzige, der Visuals zeigt, weil er mit Perlon arbeitet, ansonsten ist es ihnen halt wichtig, Fotos von Wolfgang Tillmans aufzuhängen. Das ist zwar einer, der die Szene dokumentiert hat, aber man könnte auch gut mal jemand anders zeigen. Aber das Berghain ist heute vielleicht schon zu „hochoffiziell“. Früher, etwa im Berlin Tokyo, konnte jeder Sachen aufhängen, das wurde nicht so heiß gekocht.

Die Offenheit der Orte früher hatte vielleicht damit zu tun, dass man das Werk nicht so wichtig genommen hat.

Die Clubs sind angewiesen auf die Musik, aber nicht auf einen spezifischen Produzenten. Der ist austauschbar. Es gibt die Gefahr, dass der Club zur alten Dienstleistungsdisco wird, wo man dem DJ einen Hunderter gibt, damit er einen bestimmten Track spielt. Jedenfalls führt der Weg gerade weg vom alten Autorenclub. Wichtig waren die kleinen Autorenclubs, wo die Szene sich gezeigt und als solches erkannt hat. Bei uns im Panasonic haben wir alle integriert. Jeder konnte auflegen.

Warum soll man überhaupt Videos im Club zeigen? Gibt es nicht genug bewegte Bilder, im Netz, im iPhone, überall?

Der Club ist ein amtlicher Ort, an dem man die eigenen Medien gut reflektieren kann. Und man kann herausfinden, wie man die Leute zum Hinschauen bringt, provokativ. Es könnte auch sein, dass niemand hinschaut, auch wenn du deine tote Oma zeigst. „In einer halben Stunde sehen Sie Sven Väth nackt auf dem Klo sitzen. After the Break.“ Die Frage ist nur, ob man ihn dann wirklich sieht.