Kanada torpediert Klimaschutz

Die kanadische Regierung droht, die UN-Klimaverhandlungen zu verlassen. Ein Grund: Die Ausbeutung der Ölsand-Vorkommen soll nicht behindert werden. Pikant: Das Land leitet derzeit die Verhandlungen zur Zukunft des Kioto-Protokolls

VON JENS WIETING
und TARIK AHMIA

Kanada will verhindern, dass das Kioto-Protokoll verschärft wird. Damit stellt das Land die Zukunft des Klimaschutzes in Frage. Dies geht aus internen Papieren des kanadischen Außenministeriums hervor, die der kanadischen Zeitung Globe and Mail vorliegen. Brisant daran: Kanada leitet derzeit die UN-Klimaschutzverhandlungen in Bonn. Sie sollen den Kohlendioxid-Ausstoß weltweit reduzieren. Noch bis Freitag beraten über 1.000 Experten, welche Emissionsziele nach dem Jahr 2012 gelten sollen. Doch nun schreibt die kanadische Regierung ihrer Verhandlungsdelegation einen strikten Anti-Kioto-Kurs vor.

„Kanada unterstützt keine Vereinbarungen, die die Industrieländer zu strengeren Klimazielen verpflichten“, zitiert Globe and Mail aus dem Regierungspapier. Das Land sei dagegen, die bisherigen Vereinbarungen nach 2012 fortzusetzen, und fordere für sich großzügigere Klimaziele, heißt es weiter. In dem Dokument droht die kanadische Regierung auch damit, die Klimaschutzverhandlungen ganz zu verlassen, wenn große Klimaverschmutzer wie die USA nicht auch teilnehmen.

„Die durchgesickerte Anti-Kioto-Strategie der kanadische Delegation ist hier ein großes Thema“, bestätigte Konferenzteilnehmer Jürgen Maier vom „Forum Umwelt und Entwicklung“ der taz. Allerdings habe noch niemand die Papiere gesehen. „Die Kanadier dementieren sie aber auch nicht, sondern versuchen, ihre Bedeutung herunterzuspielen.“

Die kanadische Umweltministerin Rona Ambrose sagte, Kanada werde in zwei Jahren entscheiden, ob es sich weiter am Kioto-Prozess beteiligen wird. Kanadas Klimabilanz ist jedoch nicht ermutigend. Im Vergleich zu 1990 produziert Kanada heute 57 Prozent mehr CO2 als 1990. Verpflichtet hat sich Kanada aber, 6 Prozent weniger CO2 auszustoßen. Ambrose bestätigte auch, dass Kanada Mitglied der US-Klimainitiative werden wolle. Australien, Indien, Japan, China, Südkorea und die USA wollen damit das Klima schützen – ohne sich allerdings auf Ziele zu verpflichten.

Umweltschützer und Opposition kritisierten die internen Anweisungen scharf. Steven Guilbeault von Greenpeace Kanada befürchtet „eine kleine Atombombe“ für die Fortsetzung der Gespräche. Jack Layton, der Führer der sozialdemokratischen Oppositionspartei NDP, erklärte, dass Kanada die globale Partnerschaft verrate.

Der Klimaschutz hat für die konservative Minderheitsregierung keine Priorität, die im Januar gewählt wurde. Premierminister Stephen Harper lehnt das Kioto-Protokoll ab. Seine politische Basis liegt in Alberta – neben Venezuela verfügt der Bundesstaat über die reichsten Ölsand-Vorkommen der Welt. Die Ölgewinnung in Alberta verbraucht sehr viel Energie und setzt dadurch viel CO2 frei. Kanada wird noch bis November die UN-Klimaverhandlungen leiten. Dann übernimmt Kenia den Vorsitz, wo die nächste Klimakonferenz stattfindet.