„Wir wollen die Symbolkraft retten“

ERINNERUNGSORT In Potsdam entsteht eine neue Gedenkstätte für die Soldaten, die im Auslandseinsatz gestorben sind. Der Koordinator Bernd Richter über die Macht der Wiederkennung

■ 50, seit 1982 bei der Bundeswehr, Oberstleutnant beim Einsatzführungskommando in Potsdam, das die Auslandseinsätze koordiniert, „Projektoffizier Ehrenhain“ für die Planung der Gedenkstätte.

INTERVIEW ILKA KREUTZTRÄGER

taz: Herr Richter, in Potsdam entsteht eine Gedenkstätte für Soldaten, die im Auslandseinsatz gestorben sind. Warum jetzt ein neuer Erinnerungsort?

Bernd Richter: 2012 haben Politiker und Angehörige die Einsatzgebiete besucht und sich gefragt, was mit den Ehrenhainen passiert, wenn wir die Truppen abziehen. Es war die Idee der Hinterbliebenen, einen Wald der Erinnerung zu schaffen und die Ehrenhaine in Deutschland wieder aufzubauen.

Sie überführen also die Orte, die die Soldaten in Kundus oder Kabul für ihre toten KollegInnen geschaffen haben, in die Henning-von-Tresckow-Kaserne.

Nicht 1:1, aber wir bauen sie maßstabsgetreu nach. Und die wichtigsten Insignien wie Namenstafeln oder die Gedenksteine werden eingepackt und hierher verbracht. So wollen wir einen hohen Wiedererkennungswert schaffen. Für die Angehörigen und die Soldaten, die im Einsatz waren und dort ihrer toten Kameraden gedacht haben.

Warum sind die Originale aus den Einsatzgebieten so wichtig?

Nehmen wir an, Sie sind Soldat und haben in Afghanistan, in Kundus, einen Kameraden verloren, haben ihm dort mit einer Gedenkfeier gedacht, eine Namensplakette wurde angebracht, ein Gedenkstein eingeweiht. Das hat große Symbolkraft und die wollen wir retten.

Und Sie wollen die Namenstafeln auch nicht im Einsatzgebiet zurücklassen?

Wir übergeben ja auch die Einsatzliegenschaften, in denen sich die Ehrenhaine befanden. Wenn wir beim Beispiel Afghanistan bleiben, übergeben wir es der afghanischen Bevölkerung, dem afghanischen Staat. Und wir können nicht sagen, was dann dort mit den Gedenktafeln geschieht.

Wovon gehen Sie denn aus?

Dass sie sie würdig behandeln. Aber in erster Linie ist für uns wichtig, die Namenstafeln in Erinnerung an unsere toten Soldaten nach Deutschland zu führen.

Wie sieht die Gedenkstätte, der Wald der Erinnerung, aus?

Los geht es mit einem Informationsgebäude. Dort wird es eine Fotoausstellung der Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten geben. Also, wie sah es vor Ort aus? Und es wird Informationstafeln zu den Einsätzen geben. Daran schließt der 150 Meter lange Weg der Erinnerung an, der an einem Ort der Stille endet. Das ist der zentrale Gedenkplatz mit Feuerstelle in der Mitte. Entlang des Weges wird es sieben Gedenkstelen geben, auf denen die Namen der Toten und der Einsatzort stehen. Das müssen Sie sich vorstellen, wie die Gedenkstelen am Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock in Berlin.

Dort gibt es einen Raum, in dem die Namen der Toten für jeweils etwa fünf Sekunden an die Wand projiziert werden. Dieses eher flüchtige Moment wurde immer wieder kritisiert.

Wir haben uns für eingravierte Namen entschieden. Auch die Angehörigen wollten was zum Sehen und Anfassen. Die Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten verteilen sich auf Lichtungen im Wald entlang des Weges.

Sie wollen ja eine lebendige Gedenkstätte schaffen. Das klingt aber doch recht statisch.

Also, auf den Stelen sind nur die im Auslandseinsatz verstorbenen Soldaten verewigt. Im Wald der Erinnerung können sich aber Angehörige aller Soldaten, an die im Bendlerblock erinnert wird, einen Baum aussuchen und eine Namenstafel anbringen lassen.

Für zivile Opfer, die in den Einsatzgebieten ums Leben gekommen sind, gibt es keinen Raum?

Wir reden nur von unseren verstorbenen Soldaten seit Beginn der Auslandseinsätze. Das wollten auch die Hinterbliebenen so.

Es entsteht also ein eher abgeschirmter Ort. Auch, weil sich Besucher ausweisen müssen, wenn sie die Gedenkstätte auf dem Kasernengelände besuchen wollen.

Das sehe ich so nicht. Jeder Interessierte hätte im Rahmen des Passwechselverfahrens die Möglichkeit, diese würdige Gedenkstätte zu besuchen.

Es gibt aus den Reihen der Bundeswehr immer wieder die Forderung, die Auslandseinsätze und die toten Soldaten mögen mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken. Wäre da ein offenerer Ort nicht hilfreicher?

Das sehe ich nicht so. Wir haben uns eng mit den Hinterbliebenen abgestimmt, die waren am ganzen Planungsprozess beteiligt. Dadurch ist eine enge Anbindung an die Gesellschaft erfolgt.

Welche Sprache haben Sie denn gewählt? Also ist die Rede von Gefallenen? Sprechen Sie von Heldengedenken?

Es gibt in unserer Sprache Definitionen für Begrifflichkeiten.

In dieser Sprache kommen Soldaten „einsatzbedingt“ oder „durch Fremdeinwirkung“ ums Leben. Greifen Sie diese, sagen wir mal, abstrakten Begriffe auch in der Gedenkstätte auf?

Bei Gefallenen sprechen wir von Soldaten, die in einer Gefechtshandlung zu Tode gekommen sind. Bei Verstorbenen reden wir von Soldaten, die im Auslandseinsatz durch Unfall oder Krankheit gestorben sind. Das werden wir erklären.