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: Im Visier des Ausschusses

Für den Kindler Verlag war er in Afghanistan und im islamischen Untergrund. Allerdings bereits 1983. Der Buchautor Wilhelm Dietl bewies also Weitsicht. Zumindest in Bezug auf die Gruppierungen, die heute als al-Qaida bezeichnet werden. Doch jetzt ist er ins Gerede gekommen. Aber nicht wegen seiner Bücher. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Gerhard Schäfer soll herausgefunden haben, dass Wilhelm Dietl seit 1982 für den Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet haben soll.

Sonderermittler Schäfer wurde vom Deutschen Bundestag eingesetzt, als Ende vergangenen Jahres bekannt wurde, dass der BND jahrelang illegal den Geheimdienstkritiker Erich Schmidt Eenboom und andere Journalisten observiert hatte. Sollten die Vorwürfe stimmen, dass Dietl über den Nahen Osten nicht nur Bücher, sondern Berichte für den BND geschrieben hat, stellt sich allerdings die Frage, ob diese nie gelesen wurden oder ob die Nachrichtendienste die Öffentlichkeit belügen. Denn in seinem Buch „Heiliger Krieg für Allah. Als Augenzeuge bei den geheimen Kommandos des Islam“ schildert Dietl seine Treffen mit Führern militanter mystischer Sufi-Orden.

Auf über 400 Seiten erfuhren Leser bereits in den 80er-Jahren beispielsweise von ägyptischen Muslimbrüdern, die in Höhlen Unterschlupf finden und Terrortraining absolvieren. Wenn diese Gruppierungen unter anderem dank Dietl bekannt waren, wie konnten sie dann so erstarken, dass der islamische Terrorismus und die Reaktion darauf heute die westlichen Demokratien erschüttert? Die Bücher des 50-Jährigen lesen sich heute aktueller denn je. Zwar schrieb er ab 1993 für Focus über Iran, Irak, Afghanistan und Pakistan; allerdings lesen sich diese Artikel wie klassischer journalistischer Mainstream. In dieser Zeit erschienen seine Bücher über das BKA und die Hintergründe der Befreiung der Geiseln Cordes und Schmidt im Libanon. Seine Nähe zu den Behörden soll so groß gewesen sein, dass der stellvertretende Leiter des Essener Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik auch im Auftrag des BND Kollegen ausspioniert haben soll. Dietl dementiert energisch: „Ich bin nie vom BND auf Journalisten angesetzt worden. Das ist pure Verleumdung.“ Gegenüber der taz erklärte Dietl, er trete dieser falschen Behauptung entgegen und überlege sich juristische Schritte.

Sollten sich die Vorwürfe gegen Dietl allerdings bewahrheiten, bekommt der Untertitel seines neuesten Buchs eine eher merkwürdige Wendung: Gemeinsam mit dem Exagenten Norbert Juretzko verfasste er „Im Visier. Ein Ex-Agent enthüllt die Machenschaften des BND“. SUSANNE HÄRPFER