LEXIKON DES MODERNEN UND UNMODERNEN FUSSBALLS
: Saarland, das

liebt Fußball und schreibt darüber

CHRISTOPH BIERMANN

Das abgelegene Saarland ist nicht nur die Heimat von Oskar Lafontaine & Peter Hartz oder Cindy & Bert, sondern auch Hort einer weithin unbekannten Fußballkultur, der leider nur selten die verdiente Aufmerksamkeit zukommt. Dabei verdanken wir dem Fußball an der Saar drei Bundesligisten (1. FC Saarbrücken, Borussia Neunkirchen, FC Homburg), verträumte Stadionnamen (Waldstadion an der Kaiserlinde, Elversberg), den Spieler mit der größten Ähnlichkeit mit Sitcom-Star Alf (Michael Nushöhr) und eine eigene Nationalmannschaft.

Diese erlebte den Höhepunkt ihrer kurzen Blütezeit im Jahr 1954, als sie gegen die deutsche Nationalmannschaft zu zwei Weltmeisterschaftsqualifikationsspielen antrat. Das Team aus der französisch besetzten Zone unter Leitung von Trainer Helmut Schön, der später als „Mann mit der Mütze“ zur Stilikone und 1974 mit Deutschland Weltmeister wurde, verlor zweimal ehrenvoll. Allerdings verpasste das Saarland so die einzige Chance auf eine WM-Teilnahme, denn zwei Jahre später schloss es sich der Bundesrepublik an. Der deutsche Nationalcoach Sepp Herberger war damals schlauer als Franz Beckenbauer 34 Jahre später bei der Vereinigung mit der DDR und kündigte nicht an: „Mit den Spielern von der Saar werden wir auf Jahre unschlagbar sein.“

Das wäre wohl auch verwegen gewesen, obwohl die Saarkicker ihre Fußballkunst in den Jahren 1947 bis 1951 ganz unter sich zu verbessern suchten. Gründungsmitglieder der unvergessenen Ehrenliga Saarland waren neben dem FC Homburg auch Preußen Merchweiler, der FV Püttingen und die Viktoria aus Hühnerfeld. Nur den 1.FC Saarbrücken zog es in die Welt hinaus, er trat außer Konkurrenz in der Zweiten französischen Liga an und wurde dort 1949 sogar inoffizieller Meister, durfte allerdings nicht aufsteigen.

Saarbrücker Show

Beleidigt trug er in den folgenden beiden Jahren nur hoch dotierte Showspiele aus, wobei dem damaligen Fifa-Präsidenten Jules Rimet die Auftritte so gut gefielen, dass er den 1.FC Saarbrücken angeblich sogar als „interessanteste Mannschaft Europas“ bezeichnete. Interessant blieben die Saarbrücker auch in den kommenden Jahrzehnten, wenn auch nicht immer so, wie es sich die Anhänger des Klubs gewünscht hätten. Denn von den chaotischen Traditionsvereinen ist der 1. FC Saarbrücken stets einer der besonders wirren gewesen. Unter dem Motto „Wir können alles außer drinbleiben“ folgte jedem der vier Bundesligaaufstiege der prompte Abstieg (einmal erst im zweiten Jahr), begleitet von seltsamen Skandalen. In einem besonders beherzten Akt der Selbstzerstörung schaffte es der 1. FC Saarbrücken nach der Jahrtausendwende sogar mal hinunter bis in die Fünfte Liga, wo es dann gegen Köllerbach und Mechtersheim ging. Leider bot Frankreich diesmal kein Exil an.

Röchlings Werkself

Doch nicht nur der FCS fasziniert das Publikum, sondern auch der SV Röchling Völklingen, der in den für ihn goldenen Siebzigerjahren zweimal an Aufstiegsrunden zur Bundesliga teilnahm und zu den Gründungsmitgliedern der 2. Bundesliga gehörte. Röchling ist kein Klub für Spieler mit Atemwegserkrankungen, wie irrtümlicherweise häufig geglaubt wird, sondern eine nach Hitlers Wehrwirtschaftsführer Hermann Röchling benannte Werkself des Stahlkonzerns, dessen längst geschlossene Hütte in Völkingen heute zum Weltkulturerbe gehört.

Davon nicht weit entfernt liegt das Stadion und ist nach Hermann Neuberger benannt. Der DFB-Präsident konzedierte bei der WM 1978 in Argentinien der dortigen Militärdiktatur „preußische Gründlichkeit“, wobei selbst strenge Preußen wohl nicht auf die Idee gekommen wären, politische Gegner von Hubschraubern aus über dem Meer abzuwerfen. Neuberger, einer der großen Ränkeschmiede der globalen Fußballpolitik hatte vier Jahre zuvor erfolgreich die WM im eigenen Land organisiert, begeistert heute aber vor allem durch seine Brillengestelle von damals, die bei Ravern und bärtigen Lkw-Planentaschen-Junggebliebenen mit Neon-Abo auch außerhalb des Saarlands großen Anklang finden.