„Wir haben keine Arbeit im Angebot“

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit diskutiert mit der Linksfraktion über Hartz IV – und gesteht seine Ohnmacht

BERLIN taz ■ Also, sagt Frank-Jürgen Weise, zunächst möchte er die Reform der Bundesagentur für Arbeit noch einmal kurz erläutern. Er betont das Wörtchen „kurz“ und lächelt. Wenn eine Reform gut sei, dann brauche man auch nicht lange, um sie zu erklären, fügt er hinzu. Er lächelt immer noch.

Weise absolviert hier keinen PR-Termin. Ihm steht Schwerstarbeit bevor. Ein Kampf der Kulturen. Deswegen sitzt sein Lächeln etwas schief im Gesicht. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit ist an diesem Dienstagnachmittag zum ersten Mal Gast der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Der oberste Hartz-IV-Vollstrecker debattiert mit den härtesten Hartz-IV-Gegnern die gescheitertste aller gescheiterten Hartz-Reformen.

Aber vor der Debatte kommt die kurze Erläuterung. Weise legt los, spricht von „ersten, schönen Erfolgen“ seines umgebauten Hauses, von „Kundenorientierung“ und „Wirtschaftlichkeit“, von „Benchmarkingsystemen“ und „ganzheitlichen Integrationserwartungen“ der Arbeitslosen, Pardon, der Kunden, wobei er an dieser Stelle anmerkt, dass er den Begriff „Kunden“ in Bezug auf arbeitslose Menschen „nicht so schön“ finde, sogar „ein bisschen fragwürdig“, aber was soll’s, der Begriff sei schon in der Welt gewesen, als er Chef wurde, jetzt benutze er ihn halt.

Nach 15 Minuten kommt Weise zum Stehen. Die erste Lektion haben die Linken schon gelernt. Sie sprechen die falsche Sprache. Die alte Bundesanstalt für Arbeit ist schließlich nicht umsonst von McKinsey-Leuten, den härtesten und verrufensten Unternehmensberatern, umgestylt worden. „Case Manager“, „Controlling“, „Matching“ – das sind die Begriffe, die jetzt den Arbeitsmarkt regieren. Man merkt schon an den Fragen der Genossen Abgeordneten, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit sind. Sie wollen ganz schnöde wissen, warum die Qualifizierungsmaßnahmen für die Langzeitarbeitslosen oft nur Beschäftigungstherapie seien, warum die Arbeitslosen unter dem Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs stünden, und wie es komme, dass Arbeitslose zunehmend von ihrer Angst berichteten, in den neuen Jobcentern abgebügelt und drangsaliert zu werden.

Weise und seine Begleitung Heinrich Alt, im Vorstand der Bundesagentur für Hartz IV zuständig, geben sich Mühe. Sie kennen die Schwachstellen ihrer Reform, sie versuchen, auf die Fragen ehrlich zu antworten – so ehrlich, wie sie es sich in dieser Halböffentlichkeit trauen.

Das ist weniger, als den verkorksten Hartz-Reformen angemessen wäre, aber mehr, als sich die Linken erhofft hatten. „Wir sind der Reparaturbetrieb für viele vorgelagerte Systeme, die nicht funktionieren“, sagt Alt. Das Wort „Systeme“ übersetzt er gern. Er meint damit unter anderem eine „gescheiterte Integrationspolitik“ und das „Bildungssystem“. Sein Chef Weise lächelt schon lange nicht mehr. Er fühlt sich durch die Fragen der Abgeordneten ein wenig in die Ecke gedrängt. Aber er bleibt höflich. Weise spricht jetzt offen von „klaren Fehlentwicklungen“ bei der Weiterbildung der Arbeitslosen. Am Ende gesteht er sogar die Ohnmacht seiner Behörde, Pardon, Agentur ein. „Unser Hauptproblem ist, dass wir nichts im Angebot haben“, sagt Weise. „Nichts“ heißt hier: keine Arbeit. „Wir können nur mit äußerster Mühe den Mangel verwalten.“

Gregor Gysi ist zufrieden. Der Fraktionschef dankt Weise und Alt für ihren Besuch. „Bundesagentur für Arbeit klingt ja so schön“, sagt Gysi zu seinen Gästen. „Aber was machen Sie, wenn es keine Arbeit gibt? Insofern, aber nur insofern, tun Sie uns ein bisschen leid.“ Weise starrt auf die gegenüberliegende Wand des Fraktionssaales. Dort hängt ein großes Plakat mit einem Spruch von Heiner Müller. „Wir stecken bis zum Hals im Kapitalismus“ steht darauf. JENS KÖNIG