der biker, die bockwurst im zarten saitling von WIGLAF DROSTE
:

Spätestens im Mai wird die Zweiradsaison eröffnet. Von unseren Organspendern, den altruistischen Motorradfahrern, soll hier nicht die Rede sein – es geht um unmotorisierte Zweirädrigkeit. Früher hieß das Fahrradfahren; jene, die sich darin übten, wurden Fahrradfahrer genannt und bewegten sich in ihrer gewöhnlichen Kleidung. Man sah vollständig und unsportiv würdig angezogene Männer, und man sah Frauen in geblümten oder gepunkteten Kleidern die Straßen entlangradeln. Der warme Wind streichelte ihre Beine, und in ihren glücklichen Gesichtern konnte man sehen, was für ein angenehmes, freies, leichtherziges Gefühl das ist, wenn man sich von schönem Stoff und Mailuft umflattern lässt.

Heute gibt es Biker und Bikes, und so sehen sie auch aus: Kampfmaschinen, die auf Kampfmaschinen hocken. Der Biker ist ein Unisex-Neutrum und -Monstrum und damit genau das, was die moderne Gesellschaft braucht: Krieger gleich welchen Geschlechts, eingezwängt in Gummis und Überzieher, gern bunt leuchtend und hauteng wie der zarte Saitling, in dem die Bockwurst lebt. Der Biker ist die Bockwurst unter den Menschen, nur nicht so schmackhaft. Noch sind nur wenige Menschen dazu bereit, den Biker zu erhitzen und einfach wegzuessen. Das ist schade, denn dann wäre der Biker fort, und das wäre gut.

Dem Biker ist noch die fieseste Dose Bockwurst vorzuziehen. „Im zarten Saitling“, liest der Bockwurstkäufer über die Bockwurst und wundert sich: Was ist ein Saitling? Und warum ist er immer zart? Rätsel Saitling, ich will dich lösen: Der Saitling besteht aus Schafsdarm, jenem Material, aus dem traditionell die Saiten von Musikinstrumenten hergestellt wurden. In den Saitendarm füllt der Metzger die Wurst und der Biker sich selbst ab. Die Pelle des Bikers aber ist plastikhaft; in der Sportabteilung eines Kaufhauses oder in einem Biker-Spezial-Shop kauft er den Hochpreisramsch zusammen. Bei paarweise vorkommenden Bikern wird der Partnerlook oder etwas Partnerlookähnliches bevorzugt, damit der Biker weiß: Ah, die da in Schwarz-Rot-Metallic, das ist meine, mit der bike ich heim ins Heim. Obwohl doch jede andere egalweg genauso wäre, aber was weiß der Biker von solchen Dingen?

Seinen Murmelkopf, den er ebenfalls im Fachhandel erwarb, schützt der Biker mit einem Helm. Warum? Es ist nichts darin, das beschädigt werden könnte. Wozu also der Helm? Möchte der Biker der Welt zeigen, wie wenig Vertrauen in seine motorischen Fähigkeiten er hat? Oder ist es wegen des Krieges gegen sich selbst, den der Biker verbissen führt? Das weiß der Biker nicht, er weiß nur, dass er seinem Bike niemals eine Klingel oder ein Licht gönnen wird, denn die wiegen ein paar Gramm und kosten also wertvolle Hundertstel.

Dringend angenommen werden muss sich des im Saitling die Welt belästigenden Bikers. Die Bewohner wurstpellenenger Kampfkleidung werden in Bikercontainern gesammelt, in Heißwasserbottichen kurz aufgekocht, in Senf getunkt und mit Kartoffelsalat verzehrt – von schönen Fahrradfahrerinnen in schönen Kleidern, unter denen die Südsee zu Hause ist. Dazu reichen wir der Radlerin ein frisches Radler.