„Schnelligkeit bedeutet nicht, dass die Lerntiefe verloren geht“

TURBO Zwei Abschlüsse in 20 Monaten: Marcel Pohl hat sein Studium im Eiltempo durchgezogen. Jetzt kritisiert er das Bachelor-System – als Studienbremse

■ Jahrgang 1990, machte als Turbostudent Schlagzeilen: Seine Hochschule klagte von ihm Studiengebühren für die gesamte Regelstudienzeit ein – obwohl Pohl längst fertig war. Gemeinsam mit Robert Grünwald und Marcel Kopper hat er das Buch „Die Turbostudenten“ geschrieben (Gabal, 233 Seiten, 24,90 Euro).

taz: Herr Pohl, Sie und zwei Kommilitonen haben Ihr Studium in Rekordzeit runtergerissen: von der Einschreibung zum Master in vier Semestern. Warum taten Sie sich das an?

Marcel Pohl: Wir haben das nicht als schlimm empfunden. Ganz im Gegenteil, wir haben diese Herausforderung gesucht. Nach den ersten Wochen an der Fachhochschule hatten wir den Eindruck, dass Studieren auch anders funktionieren können müsste. Danach haben wir begonnen, unser Studium zu optimieren.

Und wie optimiert man sein Studium?

Indem man die verschulten Vorgaben des Bachelor-Studiums hinterfragt. Eine wichtige Voraussetzung für unser Turbostudium war, dass wir ein duales Studium an einer Fachhochschule mit verschiedenen Standorten absolviert haben. Tagsüber haben wir die Praxiseinheiten absolviert, abends saßen wir im Unterricht und jeder an einem anderen Standort. Sonntags haben wir uns gegenseitig beigebracht, was wir gelernt hatten.

Gab es zwischendurch keine Probleme?

Natürlich geht man sich gegenseitig mal auf die Nerven. Das schnelle Studieren ist kein Spaziergang, da gibt es schon auch Stress und die Nerven liegen mal blank.

Eben. Es gibt doch noch andere Dinge im Leben als Lernen.

Na klar, doch das muss jeder selbst wissen. Die meisten Studenten wollen ein normales Studentenleben mit Spaß und vielen sozialen Kontakten. Ich verstehe das, hatte aber persönlich andere Ziele.

Was ist mit Freunden und Familie? Hatten Sie dafür noch Zeit?

Begrenzt. Das Studium war für meine Freundin und mich schon eine Belastung, weil wir uns kaum gesehen haben. Grundsätzlich muss man in so einer Phase seine sozialen Kontakte wirklich priorisieren. Wer ist mir wichtig, wer nicht? Wir haben durch dieses Projekt eigentlich in jeder Hinsicht viel gelernt.

Zum Beispiel?

Wir mussten etwa unsere Finanzen sehr gut im Griff haben, damit wir uns das Pendeln leisten konnten. Ich selbst habe mein Talent entdeckt: dass ich komplexe Inhalte rasch erfassen und verständlich weitervermitteln kann.

In Ihrem Buch behaupten Sie: Gerade das neue Bachelor-und-Master-System erschwert das Turbostudium. Hoppla, wir dachten immer, die Bologna-Reform sollte das Studium beschleunigen und nicht verlangsamen.

Wir hatten durch das duale Studium und die verschiedenen Standorte besondere Bedingungen, aber allein durch die strengere Studienordnung des Bachelor-Studiums sind die Freiheiten eingeschränkt. Unserer Auffassung nach sollten Studenten mehr selbst organisieren, zum Beispiel wichtige Themen bewusst auswählen. Durch eine Lerngruppe zum Beispiel kann man sich bei Vorlesungen ohne Anwesenheitspflicht abwechseln.

Also ein System mit beiden Extremen: Langzeit- und Turbostudenten.

So sollte das sein! Es gibt gute Gründe für beide Wege, weder der lange noch der schnelle Weg ist der einzig wahre. Aber dafür müssen erst einmal eine Reihe von Vorurteilen ausgeräumt werden. Mehr Flexibilität kann nur von Vorteil sein, und Schnelligkeit beim Lernen bedeutet nicht, dass automatisch die Lerntiefe verloren geht.

Ach nein?

Ganz im Gegenteil. Wenn man konzentriert und mit viel Energie bei der Sache ist, kann man in kurzer Zeit viel intensiver Stoff aufnehmen und verarbeiten. Allein durch die Extremleistung haben wir einiges gelernt: wie Teamarbeit funktioniert, wie man sich organisiert, vernetzt, körperlich und mental fit bleibt.

INTERVIEW: KATHARIN TAI