Google als uneigennütziger Freund und Helfer

BRANCHENTREFFEN Bei den Münchner Medientagen reden viele Männer über ein altes Thema: Wie kommt der Journalismus mit Smartphones zurecht?

„Vertrauen“ sei das Thema, das uns alle verbinde, sagte Ulrich Wilhelm, als er als einer von drei SprecherInnen die Medientage in München eröffnete. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks hätte auch „Liebe“ sagen können oder sonst irgendein Wort, dessen Kern irgendwie alle Menschen verbindet und die Bewohner der Erde davon abhält, sich die Köpfe einzuschlagen.

Dabei ist die Frage – Was verbindet die verschiedenen Medien eigentlich noch? – höchst relevant, denn es gibt nicht mehr allzu viel Zusammenhalt. Was hat ein Altverleger wie Dirk Ippen (Münchner Merkur, tz) noch gemein mit dem neben ihm auf dem Panel sitzenden Brian Sullivan, dem Vorstandsvorsitzenden von Sky? Und warum sitzt irgendein Google-Angestellter eigentlich in jeder Veranstaltung und sondert seine Werbetexte ab? „Wir sehen uns als Partner, nicht als Konkurrent“ beispielsweise oder „Wir schaffen Vertrauen über Transparenz“. Und warum bricht bei diesen Sätzen keiner auf dem Podium oder im Publikum in Gelächter aus?

Man nimmt es anscheinend einfach zur Kenntnis, was die anderen sagen. Man lässt es über sich ergehen. Mehr nicht. Die Medienfamilie, die bei diesem größten deutschen Branchentreff zusammenkommt, sie ist so disparat wie vielleicht nie zuvor. Die mobile Veränderung sollte im Mittelpunkt des Kongresses stehen – ein Thema, mit dem die Veranstalter viele Jahre zu spät dran sind. Welche Impulse sollen vom Münchner Messezentrum aus noch kommen in einem Prozess, der von unten, vom Nutzer längst angestoßen wurde? Die Kugel rollt – Smartphones und Tablets mit ihren spezifischen Nutzungen haben den Alltag längst durchdrungen –, und hier sitzen in der deutlichen Mehrzahl Männer und reden so, als könnten sie noch den Kurs bestimmen. Vielleicht sitzt deshalb ein Google-Vertreter auf jedem Podium: Sie sind die Einzigen, die wirklich eingreifen können.

Vertrauen? Das wünscht sich vielleicht ein Verantwortlicher des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Jede Seite ruft derzeit nach Hilfe durch den Gesetzgeber: Die privaten Fernsehanbieter wollen, dass ihnen gestattet wird, ihre Werbung zu regionalisieren, sodass der Zuschauer in Hamburg einen anderen Spot sieht als der in München. Logisch, der Werbemarkt im Free-TV stagniert, aber auf diesem Wege könnte noch was rauszuholen sein. Die Radioanbieter und die Zeitungen sind dagegen. Klar, sie werben ja lokal und regional.

Streit unter den Zeitungsvertretern gab es auch: Der Sprecher der Geschäftsführung der FAZ, Tobias Trevisan, wirft Jan-Eric Peters, Chefredakteur der Welt-Gruppe, vor, dass „die Branche unter der Dumpingpolitik von Springer leidet“. Springer verschenke seine Welt Kompakt, sagt Trevisan, um diese in die Auflage der Welt miteinzurechnen und jene so künstlich hochzuhalten.

Währenddessen feiert sich das Pay-TV für den eigenen Aufschwung, Google geriert sich als Freund aller, das Free-TV verweist auf die stabile Situation ihres Geschäfts, und die Zeitungsvertreter schwanken zwischen Aufbruchstimmung (Peters: „Das Prinzip Zeitung boomt“) und Resignation à la Verleger Ippen: „Die Zeitungen müssen nicht um Subventionen betteln. Wir würden sie annehmen, aber wir würden nicht betteln.“

Ein Verbindendes gab es dann doch: den kostenlosen Cappuccino am RTL-Stand. JÜRN KRUSE