Prima Schule?

SCHULREFORM Ausgangslage vor dem Volksentscheid über die Primarschule weiterhin offen. Nur GAL-Wähler mit knapper Mehrheit für die Neuerungen

Das von der Bürgerschaft einvernehmlich beschlossene Schulgesetz sieht folgendes vor:

■ Rechtsanspruch: Die Klassengröße an Primarschulen wird auf 23 Kinder abgesenkt.

■ Elternwahlrecht: Nach der sechsten Klasse entscheiden die Eltern über die weitere Schullaufbahn, nicht die Lehrer.

■ Lernmittelfreiheit: Das Büchergeld wird abgeschafft.

■ Bildungsmix: In Klasse 5 und 6 werden Deutsch, Mathe, Fremdsprachen und Naturwissenschaften zur Hälfte von Gymnasiallehrern unterrichtet.

Die Skepsis gegenüber der Einführung der sechsjährigen Primarschule ist weiterhin groß. Zweieinhalb Monate vor dem Volksentscheid über die Schulreform in Hamburg am 18. Juli ist der Ausgang der Abstimmung noch offen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Psephos im Auftrag des Hamburger Abendblatts haben sich lediglich 25 Prozent der Befragten für die Reform ausgesprochen, 30 Prozent sind dagegen. Weitere 14 Prozent der Befragten gaben an, noch unentschieden zu sein. Fast jeder Dritte (30 Prozent) erklärte, am Referendum nicht teilnehmen zu wollen.

Die größte Zustimmung erfährt die Primarschulreform in der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen (47 Prozent). Bei den 35- bis 49-Jährigen halten aber nur 17 Prozent das längere gemeinsame Lernen für den richtigen Weg, 38 Prozent sind dagegen.

Unerwartet niedrig fällt die Zustimmung bei den Sympathisanten der Grünen aus. Lediglich 53 Prozent der GAL-Wähler wollen für das Herzstück der grünen Bildungspolitik votieren, immerhin 13 Prozent lehnen sie strikt ab. Unter den Wählern der CDU sind nur 17 Prozent für die Reform, jeder dritte (34 Prozent) lehnt sie ab. Gespalten sind auch die Anhänger der Opposition. Ein Drittel der SPD-Wähler will für die Reform votieren, ein weiteres dagegen, das dritte Drittel ist noch unschlüssig. Bei den Linken stehen sich Befürworter und Gegner mit 45 zu 42 Prozent fast gleich stark gegenüber.

Das Ergebnis überrascht vor allem, weil sich die vier Bürgerschaftsfraktionen am 3. März auf eine Schulkonsens geeinigt hatten. CDU, SPD und GAL unterschrieben eine Vereinbarung über einen zehnjährigen Schulfrieden, anschließend beschloss die Bürgerschaft einhellig – auch mit den Stimmen der Linken – die sechsjährige Primarschule für alle Kinder. Zugleich wurde ein Sonderausschuss beschlossen, der die Umsetzung der Schulreform nach den Sommerferien beobachten soll. Das Gremium, das die gesamte neue Schulstruktur auswerten und gegebenenfalls nachsteuern soll, wird kommenden Mittwoch seine Arbeit aufnehmen.

Durch die Ergebnisse der Meinungsumfrage sieht sich die Initiative „Wir wollen lernen“ in ihrer Ablehnung der Schulreform deutlich bestätigt: „Die Primarschule wird quer durch alle Bildungsschichten mehrheitlich abgelehnt“, kommentiert Ini-Sprecher Walter Scheuerl: „Diese Zahlen dokumentieren unmissverständlich, dass die gegen uns erhobenen Elite-Vorwürfe völlig unhaltbar sind.“ SVEN-MICHAEL VEIT