Vom SA-Mann zum Chef des Verfassungsschutzes

KARRIERE Die gelungene Integration von Hubert Schrübbers fand 1972 ihr Ende. Als Staatsanwalt hatte er Widerstandskämpfer verfolgt

BERLIN taz | Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hubert Schrübbers, war sich keiner Schuld bewusst. 1972 recherchierte der Spiegel, was Schrübbers, damals seit 17 Jahren oberster Hüter des Grundgesetzes, in der NS-Zeit getrieben hatte. Der SA-Mann war schon 1939 als Staatsanwalt auf Extremistenjagd gewesen. So klagte Schrübbers 1940 die Jüdin Anna Neubeck an. Ihre Tat: Sie hatte als Emigrantin in Brüssel Geld und Essen von der Roten Hilfe angenommen und sich mit anderen Flüchtlingsfrauen aus Deutschland getroffen, „um Handarbeiten und dergl. zu machen“. Im Jahr 1941 wurde sie auf Betreiben Schrübbers zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, 1943 ermordeten die Nazis sie in Auschwitz.

Unter dem Aktenzeichen 5 OJs 64/40 fand sich der Fall Karl Ringle, der 1941 zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Sein Vergehen: Er hatte 1934 „zwei- oder dreimal kleinere Geldbeträge von etwa je 20 Pfennigen“ für politische Häftlinge gespendet und so dafür gesorgt, dass „die KPD ihren hochverräterischen Zielen näher kam“. Ankläger war Hubert Schrübbers.

In den 1950er Jahren konnte er als oberster Verfassungsschützer auf seine reichhaltigen Erfahrungen zurückgreifen. Denn vor allem nach dem KPD-Verbot 1956 galt es wieder, belastendes Material gegen hochverräterische Kommunisten zu sammeln. Schrübbers verteidigte sein Wirken als NS-Staatsanwalt 1972. Er könne in seiner Anklage im Fall Ringle „nichts Unsittliches finden“. Außerdem habe er die Delinquenten nur vor der Gestapo beschützen wollen. Schrübbers wurde ein paar Monate vor seiner Pensionierung auf Druck der Öffentlichkeit entlassen.

Allerdings gab es im Umfeld des Amtes noch weit härtere Fälle als den Ex-SA-Mann und NS-Staatsanwalt an der Spitze. Im Jahr 1954 wurde, unterstützt vom Bundesinnenministerium, für besonders belastete Altnazis in Köln eine Scheinfirma gegründet. Man sorgte sich bei bestimmten Mitarbeitern doch um den Ruf der Behörde. Die Sache nahm Gustav Halswick in die Hand. Er war bis 1944 Kommandeur des Sicherheitsdienstes der SS in Paris und zudem SS-Sturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt, in dem der Holocaust geplant und dirigiert worden war. In Frankreich war er in Abwesenheit zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden.

In Deutschland lief die Tarnung indes perfekt. Auch die Oberfinanzdirektion in Köln war praktischerweise eingeweiht, sodass Halswicks Firma mit dem Namen „Dokumentenforschung“ keine Steuerprüfung drohte. Die Firma beschäftigte von September 1955 an etwa 40 Personen, die später als Beamte in das Amt für Verfassungsschutz übernommen wurden. Halswick war Sonderbeauftragter des Verfassungsschutzpräsidenten Hubert Schrübbers. SR