Versäumnis-Pingpong

Eine Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln zu „Rütli“ gipfelte in einem einzigen klugen Satz

„Pflüger abschieben!“ Die Forderung, den Spitzenkandidaten der CDU des Landes zu verweisen, gehörte zu den wenigen Höhepunkten einer Sondersitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Donnerstagabend. Die Sitzung war auf Anträge von CDU und FDP hin einberufen worden, die Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) schwere Versäumnisse beim Management der Rütli-Krise vorwerfen.

Für Stimmung sorgten dabei aber nicht die Politiker selbst, sondern die Zuschauer. Diese kommentierten bisweilen lautstark und gestisch von den Tribünen herab die Bildungs- und Integrationspolitik sämtlicher Parteien. Etwa wie die Vertreter der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), die per Transparent Pflügers Abschiebung forderten.

Auf dem Parkett musste sich der Schulstadtrat gegen den Vorwurf verteidigen, den Brief der Rütli-Schule den BVV-Fraktionen vorenthalten zu haben. Schimmang verwies auf die Einhaltung des Dienstwegs, der keine Unterrichtung des Parlaments vorsehe. Außerdem, so Schimmang, sei es ja die CDU gewesen, die jahrelang die Jugend- und Bildungsarbeit im Bezirk vernachlässigt habe. Damit war ein quälendes Versäumnis-Pingpong zwischen den Fraktionen eröffnet. „Als ich im Jahr 2001 hier anfing, gab es noch nicht einmal eine Migrationsbeauftragte“, kritisierte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) seine Vorgänger von der CDU. „Buschkowsky ist der Meister im Benennen von Problemen, die die CDU seit Jahren anprangert“, konterte die CDU-Seite. Schließlich fiel noch der Begriff „Bodensatz“, mit dem der Liberale Sebastian Kluckert Deutschlands Hauptschüler qualifizierte. Kluckert war es auch, der von „bildungspolitischen Idioten“ sprach, aber „Idealisten“ meinte.

Auf den Tribünen rumorte es angesichts solcher Debattenkultur immer mehr. Einige WASG-Mitglieder trauten sich aus der Deckung und versuchten, noch ein Plakat zu entrollen. Es kam zu einem kleinen Handgemenge zwischen alteingesessenen Neuköllnern und den WASG-Leuten, ehe Letztere rausflogen.

Die Rangelei inspirierte Bürgermeister Buschkowsky dann zum klügsten Satz des Abends: „Wenn da oben unsere Bürger mit erhobenen Fäusten aufeinander zugehen, sollten wir uns vielleicht bei den jungen Leuten entschuldigen, denen wir genau dieses Verhalten vorwerfen.“

Torsten Gellner