Parcours formaler Hindernisse

Mit ihrer neuen Veranstaltungsreihe „Club No Border“ nehmen die jugendlichen Flüchtlinge vom Hamburger Theaterprojekt Hajusom das Phänomen der Grenze ins Visier. Die Zuschauer dürfen dabei auch selbst Grenzerfahrungen machen – ihre sind allerdings freiwillig

„Unsere Leute machen Angebote, wie sich die Situation in dem schwarz-rot-gelben Land verbessern kann“, sagt Dorothea Reinicke. Ihre Leute, das sind ExpertInnen in Sachen Grenzerfahrung – die meisten jugendlichen Flüchtlinge vom Hamburger Theaterprojekt Hajusom sind in Deutschland nur geduldet und können jederzeit abgeschoben werden.

Reinicke ist eine von drei künstlerischen Leiterinnen des Projekts. Mit ihrer Performance „Operation Schwarz Rot Gelb“ eröffnet Hajusom morgen Abend seine neue Veranstaltungsreihe „Club No Border“. Es geht um Grenzen: um nationale und religiöse, vor allem aber die in unseren Köpfen. Bis zum Jahresende nehmen die AkteurInnen auf sechs Veranstaltungen unterschiedliche Aspekte des Phänomens ins Visier. Die Grenze zwischen Publikum und PerformerInnen gestaltet das Ensemble bereits beim morgigen ersten Clubabend fließend. Die Zuschauer sitzen in der Mitte des Raumes, die Mitglieder von Hajusom auf erhobenen Podesten am Rand.

Drei Länder stellt Hajusom bei der „Operation Schwarz Rot Gelb“ vor: Uganda, Afghanistan und Guinea. „Es geht nicht um die echten Nationen, sondern diese Namen stehen für Visionen, die die Hajusom-Akteure sich ausgedacht haben“, sagt Dorothea Reinicke. Die jeweiligen KönigInnen halten Ansprachen, ExpertInnen informieren über Wirtschaft und Bodenschätze, TänzerInnen präsentieren für die Nation typische Choreographien und führen in kulturelle Gepflogenheiten ein.

„Die Zuschauer sollen sich dann entscheiden, in welches Land sie sich einbürgern lassen möchten“, erklärt Reinicke. Dieser Prozess gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig, zu überwinden ist ein Parcours formaler Hindernisse. Im Gegensatz zum wirklichen Leben aber durchaus verbunden mit Spaß, verspricht Reinicke. Dennoch werden die Veranstaltungsbesucher erleben, wie es ist, an Grenzen zu stoßen, willkürlich festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien unterworfen zu sein. Die drei Staaten treten in Konkurrenz zueinander, ein global einflussreiches Wirtschaftskomitee entscheidet darüber, welches Land arm bleiben muss und welches aufblühen darf.

Den moralischen Zeigefinger will das Team von Hajusom nicht erheben, auch nicht zum klassischen Mitmachtheater anstacheln; alles sei freiwillig, man könne auch einfach nur zusehen. Wichtiger als Überzeugungsarbeit jedweder Art ist es Hajusom, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. „Über Prozesse, wie Grenzen entstehen, über Institutionen, die in der globalisierten Welt die Macht darüber haben, wie es einem Land geht, und somit, wie es den Menschen dort geht.“

Eine wichtige Rolle spielt für Hajusom auch der so genannte Krieg der Religionen. Reinickes Ansicht nach instrumentalisieren Staatsoberhäupter und andere Machtmenschen auf dem globalen Parkett Glaubenssachen für ihre Zwecke. „Wir hingegen brechen das Thema Religion auf die persönliche Ebene herunter.“ Die PerformerInnen von Hajusom schöpfen dabei aus dem Fundus ihrer eigenen unterschiedlichen religiösen Überzeugungen. „Während der Vorbereitungen für das Clubformat haben sich unter den Jugendlichen anspruchsvolle Diskussionen zu diesem komplexen Thema entwickelt“, erzählt Dorothea Reinicke. „Das war beileibe kein Friede-Freude-Eierkuchen-Prozess, sondern begleitet von heftigen Streits.“

Doch am Ende sei allen klar gewesen: „Abhauen bringt nichts, nur weitersprechen.“ Zum morgigen Clubabend hat Hajusom deshalb auch Jugendzentren sowie Klassen aller Schultypen und aus allen Stadtteilen Hamburgs eingeladen. Im reibungsvollen Miteinander sehen die MacherInnen vom „Club No Border“ eine Chance, die größte Grenze zu überwinden: die im Kopf. Katrin Jäger

Theaterprojekt Hajusom: „Club No Border“, Hamburg, Kampnagel. Die Vorstellungen: 8. April, 19.30 Uhr: „Operation Schwarz Rot Gelb“; 20. Mai, 19.30 Uhr: „Wachsende Stadt“; 8. Juni, 19.30 Uhr: „Widerstand“. Die restlichen drei Termine nach der Sommerpause stehen noch nicht fest