Galaktisches Kollektiv

Nachdem Villarreal CF mit einem 1:0 gegen Inter Mailand das Halbfinale der Champions League erreicht hat, droht in dem kleinen Städtchen im Osten Spaniens Wundergläubigkeit auszubrechen

AUS MADRID REINER WANDLER

Es ist der Stoff, aus dem Fußballträume sind: Villarreal CF bezwingt Inter Mailand im Viertelfinale der Champions League mit 1:0. Damit zieht der spanische Fußballzwerg ins Halbfinale ein. Dort heißt der Gegner entweder Juventus Turin oder Arsenal.

Die Fans von Villarreal sind im Freudentaumel: „Der Himmel ist gelb“, titelte die spanische Tageszeitung El Mundo am Mittwoch. Auf dem Sportblatt AS prangt groß „Gloria“. Und die Konkurrenz von Marca ruft das 46.000-Einwohner-Städtchen im Osten Spaniens kurzerhand zur „Hauptstadt Europas“ aus. Nur der chilenische Trainer Manuel Pellegrini möchte „weder vom Traum noch von einem Wunder“ sprechen. Lieber von „Arbeit und Überzeugung“. Er habe keine großen Stars auf dem Platz, „aber sehr wohl wichtige Leute“. Pellegrini: „Wir denken immer nur an den nächsten Gegner.“ Pellegrini, der mit einer sehr knappen Personaldecke auskommen muss, hat dennoch ein „kompaktes Kollektiv“ zusammengeschweißt, wie er sagt. Spielfreude im Angriff, gepaart mit einer soliden Abwehr – so wurde der Erfolg in der Champions League möglich.

Längst halten nicht nur Fans des „Yellow Submarins“ – wie die Elf wegen ihrer Trikotfarbe genannt wird – alles für möglich. Auch der Rest Spaniens schaut gebannt auf Villarreal, das vormacht, wovon die Galaktischen vom Rekordmeister und neunfachen Champions-League-Sieger Real Madrid in den letzten Jahren nicht mehr zu träumen wagten: Egal wie es weitergeht, Villarreal hat bereits jetzt Geschichte geschrieben. Die Mannschaft erreicht, was seit 1992 niemandem mehr gelungen ist: Bei der ersten Teilnahme ins Halbfinale der Champions League zu gelangen. Und abgesehen von Monaco war niemals eine kleinere Stadt unter den besten vier des Kontinents vertreten.

Mit dem Badeort an der Cote d’Azur freilich ist Villarreal nicht zu vergleichen. Nicht Luxus und Glamour bestimmen hier das Leben, sondern harte Arbeit in den Kachelfabriken des Ortes. Aus dem Geschäft mit den Fliesen kommt auch das Geld für die Mannschaft. Fabrikant Fernando Roig kaufte sich 1997 als Hauptaktionär bei Villarreal CF ein. Viele hielten ihn für einen Spinner, wenn er davon redete, Villarreal nach ganz oben zu führen. Der Club kickte in der dritten Liga und hatte nicht einmal einen zweiten Satz Trikots.

Heute prangt das Logo eines bekannten Sportartikelherstellers auf der Brust der lokalen Stars. Und Namen wie Riquelme oder die des Torschützen gegen Inter, Arruabarrena, werden sie weder in Mailand noch bei Everton, den Glasgow Rangers oder bei Manchester United so schnell vergessen: alles Vereine, die vom Außenseiter aus der Champions League gekickt wurden.

Das Erfolgsrezept liegt vor allem in den guten Kontakten Roigs zu den Boca Juniors im fernen Buenos Aires. Der erste Spieler, der vom Rio de la Plata kam, war Boca-Kapitän Diego Cagna, andere sollten bald folgen. Heute besteht die halbe Mannschaft aus Kickern von der anderen Seite des Atlantiks. Und anders als viele Clubs seiner Größe, hat Villarreal CF eine eigene Sportstadt: Dort trainiert neben den großen Vorbildern auch der Nachwuchs. Mit Carzola und Font sind zwei junge Spieler bereits in die erste Mannschaft aufgerückt.

Roig, der angesichts der internationalen Leistung gelassen darüber hinwegsieht, dass die Seinen in der Liga mit 21 Punkten Abstand zum Tabellenführer FC Barcelona nur auf Platz 8 stehen, war von jeher überzeugt, dass er sich einmal mit den Präsidenten der großen europäischen Klubs die Logenplätze teilen würde. Nach einem Halbfinale im Uefa-Cup vor zwei Jahren ist er jetzt das zweite Mal am Ziel seiner Träume. Nach dem Spiel gegen Inter Mailand konnte Roig kaum reden. Er stand mit abwesendem Blick vor den Kameras. „Im Halbfinale zu sein ist etwas sehr Großes für uns. Aber wir wollen weiter Geschichte schreiben“, kam schließlich über seine Lippen.