Heroin auf Rezept
: CDU: Spreizschritt in die Moderne

Was für eine Vorstellung: Junkies gehen morgens zum Arzt statt auf den Strich, in die Ambulanz statt Schnorren, in die Apotheke statt auf Einbruchstour. Und danach? Arbeiten, vielleicht. Geld verdienen. Oder ins Café. Ganz legal. Ganz normal.

Kommentarvon JAN KAHLCKE

Dass das nicht mehr wie ein weltfremder Wunschtraum aus dem Lehrbuch für Sozialarbeiter klingt, ist eine kleine Sensation. Einmal gewagt, hat ein wissenschaftliches Experiment bewiesen, was viele Experten längst vermutet hatten: Dass man Heroinabhängigen am besten mit Heroin helfen kann. Nicht mit dem Teufelszeug Methadon, das viel stärker süchtig macht und als Nebenwirkung Depressionen auslöst. Nicht umsonst nehmen fast alle Methadon-Patienten nebenher Drogen wie Kokain, um die Stimmung aufzuhellen.

Vor der Hamburger CDU muss man den Hut ziehen, dass sie ihre anfängliche Ablehnung überwunden hat und nun vorurteilsfrei die Lehren aus dem Modellversuch zu ziehen bereit ist. Hier hat sie bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, moderne Großstadtpolitik zu machen.

Aber die Restpartei ist noch nicht so weit. Ein paar ewig Gestrige sind dem Prinzip von Schuld und Strafe derart verhaftet, dass sie die Vorstellung von gut gelaunten Heroinabhängigen mitten in der Mehrheitsgesellschaft einfach nicht ertragen. Dass sie das Kostenargument hervorkramen, um die Heroinabgabe zu diskreditieren, ist schon fast komisch. Hat mal jemand ausgerechnet, was Beschaffungskriminalität und Verelendung den Staat kosten?

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