„Es gab Defizite bei der Mobilisierung“

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine über die Schwierigkeiten, auch im Westen mehr Wähler zu gewinnen

taz: Herr Lafontaine, sind Sie enttäuscht?

Oskar Lafontaine: Es gibt Licht und Schatten. In Sachsen-Anhalt haben wir sehr gut abgeschnitten, in Rheinland-Pfalz hatten wir deutlich mehr erhofft. In Baden-Württemberg haben wir in etwa das Ergebnis der Bundestagswahl erreicht. Dafür gibt es in Hessen bei der Kommunalwahl, z. B. in Frankfurt, Kassel, Offenbach, Gießen, Hanau und Marburg, erfreuliche Ergebnisse. Das gleicht die Niederlage in Mainz in etwa aus.

24 Prozent in Magdeburg, Flops in Mainz und Stuttgart. Bleibt die Linkspartei also doch eine Regionalpartei Ost?

Die Interpretation, dass wir im Westen keinen Fuß auf den Boden bekommen, ist nicht gerechtfertigt. Das zeigen die guten Resultate in Hessen. Dort haben auch die Themen gestimmt: keine Privatisierung von kommunalem Eigentum, kein weiterer Personalabbau im öffentlichen Dienst, Einführung eines Mindestlohns von 8 Euro pro Stunde.

Warum hat die WASG in Rheinland-Pfalz so viel schlechter abgeschnitten als im Herbst?

Der Schwung von 2005 – wir verhindern Schwarz-Gelb und wählen Rot-Grün ab – war weg. Es gab bei uns Mobilisierungsdefizite. Und es war eine Beck-Wahl. Er spielt die Rolle des Landesvaters perfekt und hat auch Stimmen aus unserem Lager bekommen.

Welche Rolle hat die Affäre um Gerd Winkelmeier und die Kandidatur der WASG in Berlin gegen die Linkspartei gespielt?

Na, geholfen hat uns das nicht.

In Baden-Württemberg war der Ver.di-Streik doch ein idealer Hintergrund für die WASG. Warum hat dies der Partei nicht mehr Stimmen eingebracht?

Die Auswirkungen des Streiks auf das Wahlergebnis sind zwiespältig. Der Mittelbau von Ver.di ist uns zugetan, weil wir gewerkschaftsnahe Positionen vertreten. Andererseits sind die Bürger bei so langen Streiks irgendwann davon nicht mehr begeistert.

Der Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil, hat Rot-Rot auf Bundesebene „für alle Zeiten“ ausgeschlossen.

Das interessiert uns nicht. Wir sind die einzige antineoliberale Partei. Alle anderen, an erster Stelle die SPD, sind für Hartz IV, die Agenda 2010 und völkerrechtswidrige Kriege. Mit Parteien, die für Sozialabbau und Bruch des Völkerrechts stehen, bilden wir keine Regierung.

Wie erklären Sie sich die niedrige Wahlbeteiligung?

Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn wie bei der Mehrwertsteuer nach der Wahl nicht mehr gilt, was vor der Wahl gesagt worden war, braucht sich niemand über die Wahlbeteiligung zu wundern. Die Menschen haben immer mehr den Eindruck, dass über ihre Köpfe hinwegregiert wird und ihre Interessen keine Berücksichtigung finden. Dem Glaubwürdigkeitsverlust der Politik folgt nun die Verweigerung. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.INTERVIEW: STEFAN REINECKE