Ein guter Kaffee braucht keine Milch

GESCHMACK Der Beruf des Röstmeisters wurde 1996 abgeschafft. Zum Glück gibt es Menschen wie Lars Laube. Seine Mission: Den Kaffeetrinker auf eine Reise zu schicken, damit er die Welt jenseits von Melitta Auslese kennenlernt

Es ist spannend, wenn der Geschmacks- und der Geruchssinn mal ohne den Sehsinn tätig sein dürfen

VON FRANK KEIL

Lars Laube kommt nicht alleine. Der Kaffee-Verkoster bringt ein halbes Dutzend Tassen mit, zwei Kaffeekannen und eine große Flasche Wasser für die Schlucke zwischendurch. Sehr ordentlich drapiert steht alles auf dem Tisch, in der „Speicherstadt Kaffeerösterei“, das Café, Shop und Rösterei zugleich ist. Zur Auswahl stehen 40 Sorten Kaffee.

„Also – Kaffee ist unglaublich komplex“, beginnt Laube. Gut 800 unterschiedliche Aromen habe man bisher ermittelt; es dürften aber bis zu 1.000 sein, aus denen sich der Geschmack zusammensetzt. Interessant sei nun, was der normale Kaffeetrinker unternehmen könnte, um seinen Horizont zu erweitern: „Bei dem meisten Konsumenten ist die Spanne doch die zwischen Melitta Auslese und Jakobs Krönung.“ Wer wisse schon, dass ein Kaffee tatsächlich cremig, manchmal fast schokoladig schmecken kann, wenn man einen Kubaner hinzunimmt?

Dass unsere Kaffeekultur sich so monochrom zeigt, liege auch daran, dass Anbau, Verwertung, Handel und Vertrieb heute allein in den Händen von Kaufleuten liegen und die klassischen Kaffeeberufe ins Hintertreffen geraten seien. So gab es lange den Beruf des Röstmeisters, ein Lehrberuf, der 1996 abgeschafft wurde und in dessen Arbeitsfeld das Verkosten fiel.

„Wir sind wie bei anderen Lebensmitteln auch in den Bereich des Industriellen abgewandert, denn die Leute wollen viel und die Leute wollen es billig“, sagt Laube. Das habe Folgen: „Es wurden große industrielle Anlagen geschaffen, da ist der Verfahrenstechniker nun mal weit wichtiger als der Röstmeister.“ Er holt tief Luft: „In der Industrie wird im schlimmsten Fall in 90 Sekunden bei 600 bis 800 Grad geröstet, also volles Ballett.“ Er setzt hinzu: „Das ist eigentlich blankes Verbrennen.“

Laube hat einen Vergleich parat: „Nehmen Sie ein Stück Fleisch, das können Sie natürlich in einen Feuerstrahl halten. Sie können es aber auch kurz anbraten und dann eine Stunde im Ofen in aller Ruhe schmoren lassen. Den Unterschied werden sie schmecken.“ Und noch ein Wort zu Milch: „Milch kann einen guten Kaffee wunderbar tragen, aber unsere Unsitte, ständig Milch in den Kaffee zu kippen, kommt daher, dass der industriell geröstete Kaffee nicht ordentlich zu Ende geröstet ist und durch seinen Gerbsäureanteil eigentlich unbekömmlich ist.“

Also muss nun probiert werden! Laube nimmt die erste Kanne, einen „Karlsbader Filter“: unten eine Kanne nur aus Porzellan, oben der Porzellanfilter, durch den der Kaffee sehr langsam läuft: „Ein super schonendes Verfahren, denn da ich kein Filterpapier benutze, habe ich keine Fremdaromen: kein Chlor, keine Farbstoffe.“ Vor uns steht die Sorte St. Helena, geröstet bei 200 bis 300 Grad in 15 bis 20 Minuten, die zwar kräftig, aber keinesfalls unangenehm scharf schmeckt. Laube sagt: „Man muss probieren, probieren, probieren.“ Wobei er alles andere als ein Dogmatiker ist: „Wenn einer am Ende sagt, die Melitta Auslese ist mein Kaffee, ist das in Ordnung. Aber er hat geschmacklich eine Reise gemacht und die war bestimmt interessant.“

Lars Laube nimmt sich die zweite Kanne vor: eine sogenannte Stempelkanne aus Glas, in der der Kaffee mittels eines Siebs an einem Metallstab heruntergedrückt wird. Wo wir gerade mal in die Tiefe gehen: Macht es denn einen Unterschied, ob man eine metallfreie Porzellankanne oder eine solche Stempelkanne nimmt? „Allerdings“, sagt Laube: „Warum, das kann ich nicht sagen; vielleicht sind da irgendwelche intermolekularen Kräfte am Wirken, keine Ahnung. Aber ich kann sagen: Es gibt sensorisch erlebbare Unterschiede, die ich bei der Blindverkostung herausschmecke.“

Überhaupt die Blindverkostung: „Wir sind es gewohnt, dass uns das Auge diktiert, wie die anderen Sinne die Umwelt erst wahrnehmen und dann bewerten.“ Umso spannender sei es, wenn der Geschmacks- und der Geruchssinn mal ohne den Sehsinn tätig sein dürften: „Wir erleben das immer wieder bei unseren öffentlichen Verkostungen: Wenn wir die Leute auffordern, die Augen zu schließen, finden sie plötzlich Worte für das, was sie schmecken. Sie merken, dass der eine Kaffee ‚erdig‘ schmeckt, der andere ‚frisch‘ oder ‚harmonisch‘ und sie merken, dass Säure nicht heißt ‚aua,sauer!‘.“

Aber nun zum Inhalt, der weich und fast seidig schmeckt: Kaffee der Sorte Kopi Luwak. Laube lächelt: „Besser bekannt als ‚Katzenkaffee‘.“ Und zwar geerntet von der in Indonesien heimischen Schleichkatze, die gerne die reifen Kaffeekirschen frisst – und die Bohnen dann wieder ausscheidet, erzählt Laube.

Mittlerweile gebe es vor Ort Käfigfarmen, um einfacher an die ausgeschiedenen Kaffeebohnen zu gelangen. Laube sagt: „Wir hätten gerne gesagt: ‚Hey, das ist ein schlechteres Produkt. Die Tiere stehen unter Stress, sie sammeln nicht von sich aus die besten Bohnen und das merkt man.‘ Aber leider ist dem nicht so.“ Und wirklich billiger ist der Käfigkaffee auch nicht. So oder so: Sie haben ihn nicht in ihre Sortiment aufgenommen – aus ethischen Gründen. Stattdessen gibt es bei ihnen nur Wild Luwak, entsprechend zertifiziert.

Speicherstadt Rösterei: Kehrwieder 5, täglich geöffnet von 10 bis 19 Uhr. Nächste Verkostung am 22. 9., 11 Uhr. Preis pro Person: 13 Euro. Dauer: 90 Minuten. Anmeldung über www.speicherstadt-kaffee.de