„Eine kuriose männliche Logik“

Langsam stellt sich ein Machtgleichgewicht zwischen Mann und Frau ein, sagt Familienexpertin Deborah Kwablah. Grund sei der wachsende ökonomische Druck

taz: Frau Kwablah, was sind die Hürden der sexuellen Aufklärung in Ghana?

Deborah Kwablah: Bildung und das traditionelle, alte Denken. Das kann in vielerlei Varianten auftreten. Traditionelle Heiler, die eigenwillige und willkürliche Rezepturen verschreiben. So gibt es Regionen, da dürfen Schwangere auf Verordnung nur noch bestimmte Sachen essen. Jeder Ernährungs- oder Schwangerschaftsexperte würde da die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Diese traditionellen Heiler zu überzeugen ist eine Herausforderung. Und sie haben auf dem Land noch sehr viel Einfluss. Aber auch in Städten, wo diese Strukturen einfach mit hingenommen werden.

Wie reagieren Sie darauf?

Man muss wissen, wie man mit diesen Menschen redet. Wir nehmen Beispiele aus ihren Leben. Zum Beispiel hilft uns da die Feldfrucht Maniok. Jeder weiß, dass zu dicht gepflanzte Maniok die Wurzeln schwächen und dürftig sprießen lassen. Wenn man sie aber in größeren Abständen setzt, dann werden sie um so dicker. Genauso läuft es mit Schwangerschaften und dem Großziehen. Jedes Jahr ein Kind, laugt die Frau aus. Und die Kinder teilen sich zu wenig Ressourcen. Weniger Kinder haben mehr Chancen auf höhere Ausbildungsqualität und in einigen Regionen eine höhere Überlebenschance. Aber viele afrikanische Männer glauben weiter an eine höchstmögliche Zahl von Nachkommen. Klar, es gibt immer die Unbelehrbaren. Aber sie werden weniger.

Was passiert, wenn der Mann möglichst viele Kinder will, die Frau aber nicht?

Die meisten Rat suchenden Frauen kommen ohne das Wissen ihrer Ehemänner. Die Frauen haben schon mehrere Kinder geboren und wollen aus verschiedenen Gründen eine Pause. Zum Beispiel ist das Geld knapp. Oder die Frau schafft gesundheitlich eine Folgeschwangerschaft nicht. Diese Frauen lassen sich von uns Verhütungsmittel verabreichen, die mehrere Monate oder sogar mehrere Jahre wirken.

Und der Mann ahnt nichts?

Das ist den Männern dann nicht so wichtig. Wenn die Frau nicht schwanger wird, stört das nicht unbedingt. Es sei denn, sie hat noch gar kein Kind geboren. Aber diese Frauen wollen auch gar keine Verhütungsmittel.

Warum dieses Versteckspiel?

Von Bewegungen wie „Mein Bauch gehört mir“ sind wir hier noch weit entfernt. Hier gehört der ganze Körper dem Mann, so die Vorstellung vieler unserer Männer. Viele Frauen verheimlichen ihre Verhütungsmethode, weil der Mann die Frau sonst für untreu halten könnte. Warum will sie verhüten, fragen sich nicht wenige Männer. Wenn meine Frau mit mir schläft und schwanger wird, so ihre Denke, ist das ja in Ordnung. Die Männer denken: Wenn sie verhüten will, dann kann das nur heißen, dass sie mit anderen ins Bett will und das nicht herauskommen soll – durch ein Kind möglicherweise. Kuriose Logik, aber die herrscht hier. Zum Glück ist das ja nicht bei allen so.

Und wohin geht die Reise im Geschlechterverhältnis?

Glücklicherweise pendelt sich das Machtgefüge zwischen Mann und Frau langsam in ein Gleichgewicht ein. Das hat der ökonomische Druck bewirkt. Es wird immer schwieriger für die Männer, allein das Haushaltsbudget aufzubringen. Afrikanische Frauen hatten zwar schon immer ihre eigenen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Aber jetzt wird das vom Mann auch geschätzt.

INTERVIEW: HAKEEM JIMO