Im Land der Petras und Brigittes

Nirgendwo Liebe, nur Hiebe, Tritte, Stiche, Haue: „Der Spielplan“ von Elke Heinemann

Wenn Elke Heinemann in ihrem Roman „Der Spielplan“ anstatt eines Vorworts die Leserinnen bittet, „sich einen Augenblick lang die Liebe vorzustellen, wie sie sein sollte, wie man sie anschauen kann im Theater, im Film und im Fernsehen“, dann wird die Leserin sich schon denken können, dass genau eine solche Liebe auf den folgenden Seiten nicht zu finden sein wird. Wenn der Autor dieser Rezension seine Leserin nun bittet, sich einen Augenblick lang einen Roman vorzustellen, wie er sein sollte, wie man ihn aus der Verlagswerbung, der Romanverfilmung oder dem Buchhändlergespräch kennt, dann sollte offensichtlich sein, dass es um einen solchen Roman im Folgenden nicht gehen wird.

Elke Heinemann findet unsere Erwartungen an die Liebe genauso lächerlich und weltfremd wie unsere Erwartungen an einen Roman, weswegen sie „Der Spielplan“ ironisch einen Liebesroman nennt, selbstverständlich in riesigen gedanklichen Anführungszeichen. Der Rest ist Verweigerungshaltung. Als Romanautorin hat Heinemann das Herz eines Börsenbrokers, kalt konstruiert sie die Welt als Planspiel der jämmerlichsten Art.

Figuren werden in diesem Spiel lediglich strategisch gesetzt, in diesem Fall, es ist ja ein „Liebesroman“, zwei Frauen und zwei Männer, die ihre Fortpflanzungsorgane wie anatomisch korrekte Puppen vor sich her tragen und sich ansonsten aus Komplexen, schlechten Charaktereigenschaften und Klischeevorstellungen zusammensetzen. Die Handlung ist naturgemäß einfach, spielt aber auch eigentlich keine Rolle. Brigitte und Petra, Emma und Marie-Claire (klingelt es da schon?) stellen zum Ziele der Fortpflanzung Bert nach. Der ist unangenehm, unattraktiv und Frauen hassend und außerdem Dozent für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie leitender Redakteur einer Zeitschrift für Theater-, Film- und Fernsehkritik, was den Roman natürlich auch noch zur Satire auf Massenmedien macht.

Diese dürren Worte bereiten allerdings nur unzureichend auf das vor, was einen bei der Lektüre von Heinemanns Prosa erwartet. Die Autorin zappt sich unermüdlich mit beißendem Spott und enormer Schnittfrequenz durch alle Niederungen der sprachlichen Vermittlung von Geschlechterdifferenzen, von Talk- und Quizshows über Frauenmagazine und Selbsthilfekurse bis zu Sissy-Filmen und natürlich Liebesromanen. Das Ganze wird, mit Variationen, auf einer Endlosschleife präsentiert, getrieben von einer manischen Lust an der Wiederholung des Immergleichen, die selbst über die knappe Strecke dieses dünnen Buchs zum Ausdauertest für Autorin und Leserin wird. Heinemann zerhackt unbarmherzig Sprache und Konventionen, seziert unsere Vorstellungen von Liebe, Leben und Unterhaltung und hinterlässt ein Scherbenfeld.

Eine durchaus beeindruckende, wenn auch nicht unanstrengende Performance. Heinemann macht es sich und ihrer Leserin nicht leicht, doch sie lässt nicht nur die derzeit gängige waschlappige Vornamenliteratur deutscher Jungautorinnen deutlich hinter sich, sondern macht sie gleich mit zum Teil der Satire. Wo andere aus Mangel an Erfahrungen nur mehr Befindlichkeiten durchdeklinieren, teilt Elke Heinemann in ihrem ersten Buch freigebig in jede Richtung Hiebe, Stiche und Tritte aus.

Man könnte bemängeln, dass sie sich mit den Frauenmagazinen und den allgemein bekannten Tiefpunkten der Fernsehunterhaltung gar zu leichte Opfer ausgesucht hat. Solange man sich aber über so etwas noch richtig aufregen kann, wird einen der mit geradezu obsessiver Konsequenz durchgehaltene Spott begeistern. SEBASTIAN DOMSCH

Elke Heinemann: „Der Spielplan“. Ein Liebesroman. Edition Nautilus, Hamburg 2006, 122 Seiten, 16 Euro