Danke für die Musik

Der Schriftsteller David Wagner erinnert sich

Almut hat uns zusammengebracht, Almut hat uns zusammen singen lassen. Das erste Mal am 27. April 2001, eine Gruppe singlustiger, singwütiger, schließlich singsüchtiger Menschen, die sich dann Popchor Berlin nannte. Wir trafen uns in der lange abgerissenen Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune, vor der Bar im ersten Stock, Blick auf die East Side Galery. Mit dabei waren Britta Neander, Kathrin Passig und Judith Holofernes, die Filmemacherin Sandra Prechtel, die Künstler Florian Zeyfang, Fehmi Baumbach, Judith Hopf und viele andere.

Die Konzerte wurden zu Klassentreffen der Berliner und Hamburger Popschulen. Die Zeit und die Berliner Tageszeitungen berichteten über das Phänomen Popchor. Konnten wir überhaupt singen? Almut konnte singen, die anderen mehr oder weniger. War es ein Vergnügen, dem Popchor zuzuhören, bei Konzerten in der Volksbühne und in der Bar des Deutschen Theaters? Vielleicht nicht immer. Es war jedenfalls ein großes Vergnügen, im Popchor zu singen. Es war ein soziales Ereignis, und ja, so sieht es im Rückblick aus: der Popchor war eine soziale Plastik. Almut hatte die geschaffen.

Sie hatte die Stücke arrangiert (unter anderem „How soon is now“, The Smiths, oder „Was hat dich bloß so ruiniert“, Die Sterne), sie sang uns vor und dann mit. Ihre Stimme, ich höre sie noch. Sie ist herauszuhören auch auf den beiden CDs, die sie mit dem Popchor aufgenommen hat.

Liebe Almut, Du hast uns eine tolle, eine großartige Zeit im Popchor geschenkt. Danke Dir dafür. Danke für die Musik.

Der Musiker Frank Spilker über Almut Klotz

Erwartet hatten wir es ja schon. Es war eine Frage der Zeit. Wir hatten uns ja beinahe schon voneinander verabschiedet auf ihrer Hochzeitsfeier, nun ist sie gegangen ohne uns, wohin auch immer.

Sie wird auf dem Friedhof beerdigt werden, auf dem auch Rio Reiser liegt. Na, das passt ja, denke ich. Ich habe noch ein paar mathematische Formeln herumliegen. Wenn man Triolen in einem Viervierteltakt verteilt, werden aus den Sechzehnteln Zwölftel, oder? Scheint zu funktionieren. Jedenfalls wummert jetzt ein fetter Arpeggio-Synthie über den trashigen Spuren. Wow.

Ich gehe aufs Dockville-Festival. Im Bus wird für einen Marathon gegen Brustkrebs geworben. Der Anhängerverleih in Wilhelmsburg heißt „Klotz und Wedekind“. Auf dem Festivalgelände sind viele Menschen jünger als ich. Ungefähr so alt wie unsere Kinder. So ein Festival ist ein Ort großer Träume. An jeder Ecke könnte man jemanden treffen, man lernt sich kennen und dann endet es irgendwie.

Über dem ganzen schwülen Nachmittag zieht eine einzelne malerische Wolke auf, knallbunt von der schon untergehenden Sonne beleuchtet, als würde sie zur Show gehören. Bald verschwindet sie hinter der Bühne. Gerade als man denkt, es würde jetzt doch nicht regnen, ergießt sich das Wasser mit einem Mal. Das Festival wird fortgespült und alle gehen nach Hause. Niemand hat einen Schirm.