Das Leichte kommt aus dem Schweren

ROCK Nach ihrem Soloprojekt Allroh tritt die Gitarristin Anne Rolfs nun im Duo auf: Auf heißt ihre neue Band. In ihren Texten geht es darum, Dinge auf den Punkt zu bringen: Liebe, Tod. Kein Wort ist zu viel

Die Arrangements des Duos sind so kompakt, dass man kaum glauben mag, eine Liveaufnahme vor sich zu haben

VON TIM CASPAR BOEHME

„Wie du gehst / Wie du stehst / Und wie du eine rauchst / Das ist heiß“. So einen Text muss man sich erst einmal trauen. Und man muss hören, wie Anne Rolfs ihn singt, um seine entwaffnende Direktheit richtig zu erfassen.

Diese scheinbar unbedarfte Hingabe – mit hoher, fast mädchenhafter Stimme vorgetragen –, die das Ich dieses Songs seinem Gegenüber gesteht, ist weder naiv noch unreflektiert. Schließlich könnte sich alles bloß in der Fantasie der Erzählerin abspielen, wie sie selbst doppeldeutig einwirft: „Und es scheint / Es scheint / Wenn du erscheinst“.

Auf nennt sich die neue Band von Anne Rolfs, bei der sie lediglich vom Schlagzeuger Mathias Brendel unterstützt wird. Wie man auf ihrem lakonisch „CD“ betitelten gemeinsamen Debüt deutlich hören kann, brauchen sie auch keine weitere Unterstützung. Die Arrangements des Duos sind so kompakt, voll und verschachtelt, dass man kaum glauben mag, eine unter Livebedingungen eingespielte Aufnahme vor sich zu haben. Die Gitarre erfüllt oft die Aufgaben des Basses gleich mit. Anne Rolfs lässt es so klingen, als wäre das die simpelste Sache der Welt.

Leidenschaft kommt rüber

Tatsächlich steckt jede Menge Arbeit in diesen fünf Stücken. Allein zwei Jahre dauerte es, bis Anne Rolfs überhaupt den richtigen Schlagzeuger für ihre anspruchsvollen Songs voller Rhythmus- und Stilwechsel gefunden hatte. Rund zehn Trommler wurden in ihrem Proberaum vorstellig, doch bei keinem passte es so richtig.

„Dann habe ich Peaches’ Livevideo gesehen“, so Rolfs. „Und da habe ich Mathias Brendel gesehen. Und da habe ich gesagt: Mann, da kommt richtig Leidenschaft rüber, wenn der spielt.“

Leidenschaft war auch schon Thema, als sie vor vier Jahren allein als Allroh auf der Bühne stand. Im West Germany zum Beispiel konnte man eine technisch überragende Gitarristin erleben, die ihre Songs zu beinahe undurchdringlichen Klangblöcken verdichtete, über denen sie allerknappste Zweizeiler vortrug. Ihr Album „Hag Dec“ aus dem Jahr 2009 war ein mächtiger Wurf, voller Gefühl, das sich damals jedoch noch ziemlich schroff und für unvorbereitete Ohren abweisend artikulierte.

Auf klingt merklich offener und aufgeräumter. Zwar habe sie zuvor die Erfahrung mit Allroh gebraucht, sagt Anne Rolfs, das Projekt betrachte sie heute aber als abgeschlossen: „Eigentlich mache ich Songs. Und wenn du die solo spielst, versteht das keiner als Song.“ Außerdem vermisste sie irgendwann das Schlagzeug: „Ein Song braucht Rhythmus. Das fehlte da.“ Schon in den Neunzigern hatte Anne Rolfs als Sängerin und Gitarristin der Berliner Indie-Noise-Band Wuhling international auf sich aufmerksam gemacht, die Band allerdings nach wenigen Jahren wieder verlassen.

Auf knüpft wieder stärker an die Phase von Wuhling an, wenngleich mit anderen Mitteln. Denn ohne Allroh würde es Auf in dieser Form wohl gar nicht geben: „Ich würde jetzt niemals solche Songs machen, wenn ich nicht davor Allroh gemacht hätte. Aus dieser Sologeschichte ziehe ich total viel raus, weil ich dafür so viele Spieltechniken geübt habe.“

Bei dieser Entwicklung bekommt man den Eindruck, dass Anne Rolfs’ verschiedene Erfahrungen so etwas wie notwendige Schritte waren, um in der Musik dorthin zu gelangen, wo sie mit Auf erst einmal Station gemacht hat. Denn Musik ist für sie etwas zum Teilen, das zu mehreren „mehr Spaß“ macht. Mit Wuhling war sie dabei irgendwann an unüberwindliche Hindernisse gestoßen: „Menschlich ging das alles auseinander. Das hat alles nicht richtig hingehauen. Es hat mir mehr Kraft weggezogen als gegeben.“ Bei Auf fügt sich alles nach Wunsch: „Ich fühle mich zum ersten Mal richtig stimmig.“

Zur Musik von Auf gehört neben dem virtuosen Spiel der beiden Musiker ein scharfer Kontrast zwischen dem spannungsreichen, druckvollen Gefüge der Instrumente und der Schwerelosigkeit des Gesangs, der über den anderen Tönen zu schweben scheint. Für Anne Rolfs sind diese zwei Elemente aufeinander angewiesen: „Die Leichtigkeit kommt nur aus dem Schweren. Die richtige, wahre Leichtigkeit kommt nur, wenn du diesen Gegenpart hast.“

Da überrascht es auch nicht, dass Anne Rolfs um Ironie einen großen Bogen macht. In ihren Texten geht es darum, Dinge auf den Punkt zu bringen, das Wesentliche so knapp wie möglich zu formulieren. Sie erzählt von Grundlegendem, von Liebe, aber auch vom Tod. Kein Wort ist zu viel. Alles ist ehrlich, verbindlich und zwingend. Und ergreifend anmutig. Oder eben: heiß.

■ Auf: „CD“ (Graumann Records/Broken Silence)