NATALIE TENBERG DER WOCHENENDKRIMI
: Erpressung unter Trotteln

Nicht viel trennt die Gewohnheit von der Bequemlichkeit. Und wer es sich im Leben zu bequem macht, wird bald denkfaul und fremdbestimmt.

Nehmen Sie sich selbst: Jeden Sonntag um kurz nach acht setzen Sie sich mit einem Glas Rotwein vor die Glotze und warten auf den „Tatort“ beziehungsweise den „Polizeiruf 110“. Viel zu oft schauen Sie dann Filme, die Sie nicht interessieren, und verschwenden die Zeit Ihres Lebens auf dem Sofa!

Dabei bietet Arte Ihnen die Gelegenheit, eingefahrene Muster aufzubrechen. So könnten Sie in der Nacht zu Sonntag einen schön in Szene gesetzten französischen Kurzkrimi schauen: „Die Frau, die im Wasser trieb“. Es geht um Raymond (Michaël Abiteboul) und Lionel (Philippe Rebbot), Männer mittleren Alters und Nachbarn. Sie beide besitzen, obwohl sie den Eindruck größter Trotteligkeit vermitteln, in ihrer französischen Ferienidylle einen Pool. In dem von Lionel liegt nur dummerweise, kurz vor dem Wochenendbesuch seines Sohns, eine leblose Frau in rotem Kleid. Anstatt die Polizei zu rufen, schleppt Lionel den Körper zu seinem Nachbarn und legt ihn dort ins Wasser. Raymond, noch im Bademantel und mit einer Flasche Milch in der Hand, tut, was Menschen heutzutage tun, wenn sie Derartiges sehen: Er greift zum Telefon. Nicht, um die Polizei zu rufen, sondern um Lionel bei seiner Tat zu filmen.

Thibault Lang-Willar (Buch und Regie) hat aus dieser Ausgangssituation einen ansehnlichen, spannenden Film von zwanzig Minuten gesponnen, der trotz seiner Kürze aussieht wie amerikanisches Hochglanzkino. Nichts ist verwackelt, sondern alles mit ruhiger Hand und Liebe gefilmt. Die Schauspieler schaffen es, ihren Charakteren in nur wenigen Szenen Tiefe zu geben – so wechselt ihre Situation vom anfänglichen Klamauk ins Beklemmende.

„Die Frau, die im Wasser trieb“; So., 4.30 Uhr, Arte. Wer sich nicht von alten Mustern lösen kann: Eine Rezension des aktuellen „Tatort“ steht ab Sonntagmittag auf taz.de