„Das letzte Mal, dass er sich cool fühlte“

GREENBERG Der Regisseur Noa Baumbach über seinen nächsten Donnerstag startenden Film, Ben Stiller, Los Angeles und die Karen-Dalton-Referenz

Musik ist Greenberg wichtig, Meinungen sind ein zentraler Aspekt der Identität

■ ist 40 Jahre alt. Wuchs in Brooklyn auf. Seine Jugend und die Scheidung der Eltern reflektierte er in seinem Film, „The Squid and The Whale“ (2005), der mehrere Preise gewonnen hat. Bereits 1991 gab er sein Debüt mit dem Postcollegefilm „Kicking and Screaming“. Gemeinsam mit Wes Anderson schrieb er unlängst auch das Drehbuch zum Zeichentrickfilm „Fantastic Mr. Fox“. (dok)

INTERVIEW DOMINIK KAMALZADEH

■ Roger Greenberg, Exmusiker und Tischler, soll ein paar Wochen lang das Haus seines Bruders in West Hollywood hüten. Er steht kurz vor seinem 41. Geburtstag, hatte erst kürzlich einen Nervenzusammenbruch, und die Nachwirkungen sind ihm deutlich anzusehen. Anderen Menschen begegnet Greenberg mit Sicherheitsabstand. Zu vieles erregt ihn zu schnell. Situationen können in seiner Gegenwart schnell unbehaglich werden und entgleiten. Noah Baumbachs Greenberg ist ein Film, der in einer komisch-vertrackten Tonart von einem Menschen erzählt, der den Anschluss an die Gegenwart verpasst hat. Hauptdarsteller Ben Stiller zeigt in dieser vergleichsweise ernsthaften Rolle, die klug mit seiner Star-Persona spielt, ungewohnte Tiefen. Die eigentliche Entdeckung des Spielfilms heißt jedoch Greta Gerwig, die ein paar Eingeweihte aus „Mumblecore“-Filmen kennen. Sie verkörpert die 25-jährige Florence Marr, eine redselige Lebensbummlerin, mit der Greenberg etwas beginnt, das mit dem Wort Beziehung noch viel zu allgemein umschrieben wäre. (dok)

taz: Herr Baumbach, Greenberg ist ein Mann in der Krise, keiner gängigen Midlife-Krise, es verhält sich komplizierter. In welchem Teil von sich haben Sie denn diese Figur gefunden? Noa Baumbach: Greenberg hat diese Art von Krise, die man sonst vielleicht als 17-Jähriger hat. Bei ihm geschieht das alles etwas spät. Es gleicht mehr einer jugendlichen Rebellion, die erst mit 40 ausbricht. Wie soll ich es sagen? Was wohl alle Charaktere meiner Filme irgendwie vereint, ist ihr Kampf mit allzu starren Wahrnehmungen ihres Selbst. Das verstellt den Blick auf das wahre Selbst. Ich habe immer die Filme von Eric Rohmer bewundert, der dieses Thema wie kein anderer zu meistern wusste. Ich habe es noch nie so direkt erforscht. Jedenfalls ist Greenberg Ihre bisher neurotischste Figur. Was ist sein größtes Handicap?Er ist selbst sein größter Feind und findet keinen Weg, sich aus dem Weg zu gehen. Dass er in seiner eigenen Welt gefangen ist, hat mich sehr angezogen. Seine Lust an Meinungen, sein Zorn über die Welt, seine Frustrationen, seine große Angst vor Enttäuschungen: All das hat mich fasziniert. Für eine Geschichte ist es schwierig, denn es handelt sich um einen inneren Kampf. Er ist komisch, auch sehr schmerzvoll. Mit 25 würde Greenberg wohl eine Lösung finden, mit 40 macht es sein Leben jedoch unnötig kompliziert. Auch modisch und frisurentechnisch wirkt Greenberg, als käme er aus einer anderen Zeit. Es gibt dieses schöne Timothy-Leary-Zitat: Die Lieblingsmusik eines jeden Menschen ist jene, zu der er seine Unschuld verlor. Zu Greenbergs Kleidung und Gesten dachte ich: Das war das letzte Mal, dass er sich cool fühlte. An der jüngeren Generation zeigt sich Greenbergs Malaise besonders deutlich. Florence, die Frau, in die er sich verliebt, ist ganz gegenwärtig. Ich glaube, Greenberg wird durch diese neue Generation einerseits elektrisiert, und dann empfindet er wieder nur Verachtung für sie. Gab es diese Idee eines Generationenaustauschs von Anfang an? Greta Gerwig, die Florence spielt, steht ja auch für die „Mumblecore“-Bewegung, eine neueren Reihe von Independent-Filmen. Ich habe Greta Gerwig in diesen Filmen gesehen – das hat mich auch dazu gebracht, sie zu besetzen. Sie ist außergewöhnlich, sehr speziell; ich habe jedoch keinen direkten Anschluss an „Mumblecore“ gesucht. Aber es gibt Verbindungen: Greenberg ist mit 40, 41 in einem Alter, in dem es den eigenen Bezugspunkten in etwa so ergeht, als würde man seine Eltern über eine Zeit sprechen hören, die einem vorausging. Wenn man einen Song wie „It Never Rains in Southern California“ spielt und merkt, dass den keiner mehr auf diese Weise annimmt wie man selbst – dann ist das auch ein Moment der Selbsterkenntnis. Und diese Erkenntnis wollte ich im Gesicht von Greenberg einfangen. Der Film spielt auch mit dem Image Ben Stillers, der hier in einer seiner ungewöhnlichsten Rollen agiert. Zu welchem Zeitpunkt kam er an Bord? Beim Schreiben denke ich nicht an Schauspieler. Ich will die Rolle an niemandem festmachen. Eine der großen Freuden des Schreibens ist es, so zu tun, als würde dieser Mensch tatsächlich existieren. In dem Moment, wo ein Schauspieler dazukommt, entsteht eine andere Figur. Ursprünglich war die Figur jünger – und ich hab mir gewünscht, Ben Stiller wäre es auch, damit er sie spielen kann. Das hat mich dazu veranlasst, darüber nachzudenken, welche Wirkung es hätte, ihn älter zu machen. Es half mir, den Film zu entdecken: Denn vieles, von dem wir gesprochen haben, kam erst dann richtig zur Geltung. Sein höheres Alter macht den Film melancholischer und komischer. Ben wurde so zur Inspiration. Bestimmte Muster Stillers, seine Mischung aus Aggression und Schüchternheit, auch diese Empfindsamkeit, scheinen sich hier noch zu verstärken …Das ist auch der Grund, warum ich an ihm interessiert war. Er kann eine große Verwundbarkeit noch in Momenten ausstrahlen, in denen er rabiat ist.„Greenberg“ ist der zweite Film, den Sie gemeinsam mit Jennifer Jason Leigh geschrieben haben. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit? Wir haben keine richtige Methode. In diesem Fall hab ich den Film geschrieben, doch wir sind verheiratet, also tauschen wir ständig Ideen aus. Diesmal war der Stoff eine besonders harte Nuss. Ich hatte klare Vorstellungen von den Figuren, von Greenberg und Florence, und von Los Angeles, wo der Film spielt. Jennifer wusste sofort, wohin die Geschichte gehen soll und welche Szenen ich nicht brauche. Sie hat ein Gefühl für das Material, das über Beratung hinausgeht, also fragte ich sie, ob wir das nicht gleich gemeinsam machen wollen. Jennifer produzierte den Film, sie war also stark involviert. Es ist lustig, wenn man eine derart intensive private und berufliche Beziehung gleichzeitig pflegt. Los Angeles wird in „Greenberg“ von einer weniger bekannten, lebensnahen Seite gezeigt – die Orte erinnern an Filme aus den Siebzigerjahren. In den Filmen von Paul Mazursky, John Cassavetes und Robert Altman hatte man immer das Gefühl, dass sie Los Angeles aus einem bestimmten Grund wählten und nicht nur, weil die Geschichte dort zufällig spielte. Als ich „The Long Goodbye“ sah, liebte ich dieses Gefühl von L. A., ohne die Stadt überhaupt zu kennen. Ich wollte meine Version von L. A. zeigen, so wie ich in „The Squid and the Whale“ das Brooklyn gezeigt habe, in dem ich aufgewachsen bin. Jennifer ist aus L. A., und durch sie hab ich auch die Stadt ganz anders sehen gelernt. Ich entschied mich für Restaurants, die ich mag, oft ältere wie Lucy’s. Das ist alles sehr West Hollywood, ein Viertel, das in Filmen selten vorkommt. Dieser Wechsel von Stadt zu Land, der Teile von L. A. bestimmt, gefällt mir besonders: die trüben Bilder aus Downtown, mit denen wir den Film beginnen, und dann diese Hügel, wo Florence den Hund spazieren führt. Wie die Orte sagt auch die Filmmusik viel über ihr Personal aus. Es gibt sogar eine Karen-Dalton-Referenz …Oh, die sagt bestimmt nicht sehr vielen etwas … Musik ist Greenberg wichtig, und Meinungen sind für ihn ein zentraler Aspekt der Identität. Ich mag das an Figuren, wenn sie sich über Geschmack und Vorlieben bestimmen – über die Musik, die sie hören; die Filme, die sie lieben. Der James-Murphy-Score ist die andere, wesentliche Ebene des Films. Das LCD-Soundsystem-Album „Sound of Silver“ war ein wichtiger Einfluss, als ich den Film geschrieben habe – es geht darin um ähnliche Dinge, ums Altern, um Selbstbewusstsein, um die Angst, seine Coolness zu verlieren.