Von Liebe ist hier nicht die Rede

KUNST Sie war enttäuscht von ihrer Ehe und begann ein Verhältnis mit einem Verehrer ihrer Mutter. In der Neuköllner Galerie Su de Coucou beschäftigen sich dreizehn KünstlerInnen mit dem Tagebuch der Fontane-Heldin Effi von Briest

VON DOROTHEE ROBRECHT

Man muss „Effi Briest“, den Roman von Theodor Fontane, nicht gelesen haben, um die Ausstellung „Das Tagebuch der Effi von Briest“ in der Berliner Galerie Su de Coucou würdigen zu können, doch hat man es, ist sie ein doppeltes Vergnügen. Denn die Ausstellung enthüllt eine Effi, die man so noch nicht gesehen hat, obwohl sie zu den berühmtesten Frauenfiguren der deutschen Literaturgeschichte gehört. Rainer Werner Fassbinder ist nur einer von fünf RegisseurInnen, die ihre Geschichte verfilmten, doch ganz auserzählt ist sie offenbar noch nicht.

Hinzuerfunden wird in dieser Ausstellung nichts, die Arbeiten halten sich strikt an die Effi des Romans: Eine junge Frau, die – selbstbewusst und äußerst lebhaft – mit 17 einen Baron heiratet, an der Ehrbarkeit dieser Ehe erstickt, sich in eine Affäre flüchtet, verstoßen wird und schließlich, mit knapp 30, im Haus ihrer Eltern stirbt. „Effi Briest ist die deutsche Madame Bovary. Als wir die Geschichte damals in der Schule gelesen haben, hat sie mich wirklich berührt.“ sagt Pawel Krawlik, einer der Künstler.

Krawlik ist Tscheche, und sein Beitrag ist das Foto eines Mädchens, das im Schneidersitz und mit Zigarette in der Hand am Boden hockt – lässig, aber auch merkwürdig erschöpft. „Ihr Blick hat mich fasziniert, für mich liegt Resignation darin. Und ich glaube, auch Effi hat resigniert, als sie geheiratet hat. Sie wollte heiraten, sie wollte, was diese Ehe ihr zu bieten hatte an Status und Annehmlichkeiten. Aber vielleicht hat sie geahnt, dass das nicht alles ist, dass Liebe fehlt.“

Außerehelicher Sex

Von Liebe ist bei Fontane nicht die Rede, und von Sex schon gar nicht. Wie merkwürdig das ist, denn immerhin wird außerehelicher Sex Effi zum Verhängnis, illustriert ein weiteres Werk. „Secret Effi“ heißt die Installation der polnischen Künstlerin Sylwia Olszewska-Tracz. Zu sehen sind 20 kunstvoll drapierte schwarze Schachteln, flankiert von schwarzen Taschenlampen.

Lüftet man die Deckel dieser Schachteln, fällt der Blick auf schwarzen Karton, von Dreiecken durchlöchert, die an die Splitter eines zerbrochenen Spiegels denken lassen. Darunter, zu sehen nur mithilfe der Taschenlampen, sind Zeichnungen einer Frau zu sehen, die sich selbst befriedigt. Ein elegantes Spiel mit Pornografie und Voyeurismus, das Bedürfnisse sichtbar macht, die Effi sich nicht hat erfüllen können.

Die Exponate ergänzen sich erstaunlich gut; erstaunlich, weil es dreizehn KünstlerInnen sind, von denen einige, wie etwa die Japanerin Shoxxx, den Roman nicht kannten und sich erst anlässlich dieser Ausstellung mit ihm beschäftigt haben. Shoxxx bildet den ausgestopften Hai nach, den Effi im Haus ihres Mannes vorfindet, als riesiges rotes Stofftier. Der Hai taucht auch bei Iris Weirich auf: „Effis Nachtmar“ heißt der Fotoprint, auf dem sie ihn durch eine Traumlandschaft schweben lässt, surreal und unheimlich. Das wohl extravaganteste Exponat: ein dickes Buch, in Schweinsleder gebunden. Darin findet sich das Tagebuch der Effi Briest, handgeschrieben und bebildert mit zahlreichen Fotos, auf denen man Romy und Magda Schneider erkennt.

„Ich habe den Fokus auf die Mutter/Tochter-Beziehung gelegt“, sagt die Künstlerin Lena Braun. „Effi hat ja nicht nur einen Verehrer ihrer Mutter geheiratet, sie hat ihre schöne Mutter geliebt und wollte sein wie sie. Aber das war sie nicht, sie war zu wild, zu frei.“ Braun hat diese Ausstellung auch kuratiert, als Auftakt für ihr Projekt „Effis Haus“. Geplant ist, ein ganzes Haus so umzuwandeln, dass Fontanes Roman in ihm begehbar wird. Das Haus hat Braun auch schon gefunden: im Ruppiner Land: „Das Elternhaus von Effi stand im Ruppiner Land, und hier in Berlin, am Anhalter Bahnhof, war die kleine und dunkle Wohnung, in der sie vor sich hinvegetierte, nachdem ihr Mann sie verstieß. Wo wenn nicht hier sollte man ihr ein Denkmal setzen?“

Was fehlt, ist Geld für den Kauf des Hauses. Sollte es Braun gelingen, dieses Geld aufzutreiben und Sponsoren zu finden, wäre der erste und wichtigste Schritt getan. Dann gäbe es ein Effi-Briest-Haus, ein Haus, das lebt, weil KünstlerInnen dort weiterarbeiten könnten zu Effi Briest und dazu, wie sie sie sehen. Das Konzept für das Haus ist einsehbar unter www.sudecoucou.net. Crowdfunding soll die Mittel einspielen, die Braun braucht, um ihre Vision zu realisieren.

■ Bis 22. August. Dienstag bis Samstag, 14–19 Uhr und nach Vereinbarung: 89 64 31 39. Weserstr. 202, Neukölln