Kultur außer Rand und Band

Zahlreiche kulturelle und politische Angebote locken nach jwd. Ein Blick über den Tellerrand der Innenstadt lohnt sich insbesondere in den kommenden Wochen

„Resist to Exist“-Festival mit gut drei Dutzend erstklassigen Bands

Wo? Hornoer Ring (S Marzahn)

Wann? 2. bis 4. August

Im Netz: www.resisttoexist.de

Horte Hoffest Strausberg

Wo? Horte, Peter Göring-Str. 25

Wann? 10. August

Im Netz: www.horte-srb.de

„Rand.Gestalten“-Festival mit Workshops und diversen Bands

Wo? AJZ Kita, Louis-Lewin-Str.

Wann? 24. August

In der Berliner Innenstadt wohnen Leute, die noch nie über den S-Bahn-Ring hinausgekommen sind. Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf oder Treptow-Köpenick kennen sie, wenn überhaupt, nur aus Erzählungen oder vom S-Bahn-Plan. Dabei würde es sich lohnen, dort einmal vorbeizuschauen. Steigt man zum Beispiel an der Louis-Lewin-Straße im Norden Hellersdorfs aus der U-Bahn, fällt einem auf, wie angenehm frisch und kühl Hauptstadtluft sein kann. Auch ist es angenehm ruhig. Die Bäume rauschen im Wind, ab und zu fährt mal ein Auto vorbei. Von Tristesse in Grau und Grau ist indes weit und breit keine Spur. Unweit von hier befinden sich die Gärten der Welt, der Wuhletal-Wanderweg und der Kienberg mit seiner schönen Aussicht auf die Stadt. Noch etwas weiter, draußen bei Strausberg, befindet sich eine malerische Seenlandschaft.

Einen weiteren Grund, diesen Sommer endlich mal aus dem eigenen Kiez herauszukommen und über den Tellerrand zu blicken, liefern in den kommenden Wochen linke Gruppen und Projekte dem Nordosten der Stadt. Frei nach der Berliner Redewendung „janz weit draußen“ (jwd) haben sie in Marzahn-Hellersdorf, Strausberg, Hohenschönhausen und Pankow einen Festival-Sommer mit mehreren Veranstaltungen ausgerufen.

Am 2. August startet dazu das Festival „Resist to Exist“ auf dem Hornoer Ring im Westen Marzahns, bevor am 10. August das „Horte Hoffest“ im Kulturzentrum „Horte“ in der Brandenburgischen Stadt Strausberg stattfindet. Am 24. August schließlich wird zum dritten Mal das „Rand.Gestalten“-Festival mit Musik und unterschiedlichen politischen Workshops auf dem Gelände des „AJZ Kita“ an der Louis-Lewin-Straße veranstaltet. „Wir wollen der Innenstadt zeigen, dass es sich lohnt, den Arsch hochzubekommen und mal etwas weiter zu fahren als nur bis zum Ring. Bis zum Ring und noch viel weiter!“, sagt Lelle vom Sozialzentrum Horte.

Doch die Idee hinter dem Festival-Sommer geht viel weiter, als für den Berliner Nordosten zu werben. So wollen die Jwd-OrganisatorInnen die alternative Jugendkultur in der Region nach vorne bringen und zeigen, dass es auch außerhalb der Innenstadt Gegenkultur gibt. Nicht zuletzt soll damit auch den Nazis in der Gegend Paroli geboten werden. Diese sind zwar heute nicht mehr so stark präsent, dennoch kommt es immer mal wieder zu rassistisch motivierten Übergriffen. Ein weiteres Anliegen besteht darin, sich untereinander zu vernetzen, um zukünftig besser zusammenarbeiten zu können. Und so hat der Festival-Sommer einen klar definierten politischen Charakter. „Wir haben uns so eine stärkere Plattform geschaffen“, sagt Robert Hüttig vom Rand.Gestalten-Festival.

Neben Musik gibt es auf allen Festivals Vorträge, in denen aktuelle lokalpolitische Themen aufgegriffen werden sollen. So wird es um die Asylkompromiss genannte Neuregelung des Asylrechts vor zwanzig Jahren gehen. Durch die Änderung des Grundgesetzes wurde das Recht auf Asyl durch den Artikel 16a deutlich eingeschränkt. Auch wird der Streit um das Flüchtlingsheim in Hellersdorf thematisiert. Dort soll in einer ehemaligen Schule ein Heim für Asylsuchende eingerichtet werden. Neben Unterstützung für die Unterkunft gibt es im Bezirk auch GegnerInnen, die gegen die Personen hetzen, die bald dort einziehen werden. „Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir ihnen und ihren rassistischen Vorurteilen nicht das politische Feld überlassen“, sagt Hüttig.

Über die Festivals hinaus bemühen sich die einzelnen Projekte um ein dauerhaftes Engagement in ihren Kiezen. Das Sozialzentrum Horte bietet neben Diskussionsabenden VoKüs und Konzerte an. Interessierte können Theater spielen, ihr eigenes Gemüse ziehen oder Graffiti sprühen. Werkstätten und Proberäume sind ebenfalls in dem Projekt untergebracht. Ähnlich sieht es im „AJZ Kita“ aus, wo regelmäßig Kulturveranstaltungen stattfinden. „Dauerhaft wäre es toll, wenn sich mehr alternative Strukturen im Nordosten der Stadt und darüber hinaus entwickeln“, sagt Hüttig.

Wer mitmachen möchte, kann zu den offenen Tresen der Projekte kommen. Infos dazu finden sich im Internet. Mehr Solidarität aus der Innenstadt ist erwünscht. Allerdings auf Augenhöhe: „Wir wollen Support nicht im Sinne von Charity aus der großen Stadt, sondern als solidarisches Miteinander“, sagt Lelle.

LUKAS DUBRO