Frau Steinbrück und Herr Göring-Eckardt

WAHLKAMPF In heiterer Eintracht präsentieren die Spitzenkandidaten von SPD und Grünen in Berlin ihr gemeinsames Papier zum Mindestlohn. In Zeiten schlechter Umfragewerte für Rot-Grün können harmonische Bilder nur nützlich sein

Wenn Rot-Grün die Wahl gewinnt, soll der Mindestlohn zum 1. Februar 2014 kommen

AUS BERLIN ANJA MAIER

Heiterkeit in der Bundespressekonferenz. Ein Journalist hatte sich verhaspelt und den SPD-Kanzlerkandidaten mit „Herr Göring-Eckardt“ angesprochen und nachgelegt: „… ich meine Frau Steinbrück“. Peer Steinbrück schaute kurz zur Grünen Spitzenkandidaten an seiner Seite hinüber, lachte und parierte: „Da muss ich erst mal meine Frau fragen.“

Tatsächlich hatte der Termin am Donnerstagmorgen etwas von einer Eheanbahnung. Bekanntlich wollen SPD und Grüne nach dem 22. September die Regierungskoalition bilden. Da kann es nichts schaden, gemeinsame Bilder zu produzieren und dabei Inhalte zu transportieren. Ein wichtiges Konsensthema im Wahlkampf ist der gesetzliche flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro. Das gemeinsame Konzept und den dazugehörigen Zeitplan stellten Peer Steinbrück und Katrin Göring-Eckardt nun in Berlin vor.

Im Falle eines Wahlsiegs, stellen SPD und Grüne in Aussicht, könne das von ihnen erarbeitete Mindestlohngesetz schon am 1. Februar 2014 in Kraft treten. Die 8,50 Euro seien zwar immer noch kein besonders guter Stundensatz, sagte die grüne Spitzenkandidatin. Er reiche aber aus, damit Vollzeit Arbeitende ihr Einkommen nicht aufstocken müssten. Nach ihren Angaben verdienen die derzeit 6,8 Millionen NiedriglöhnerInnen durchschnittlich 6,68 Euro im Westen und 6,52 Euro in Ostdeutschland.

Katrin Göring-Eckardt machte klar, dass das rot-grüne Mindestlohn-Konzept ein wichtiger Schritt in Richtung geschlechtergerechter Bezahlung sei. „Sechzig Prozent der Niedriglöhner sind Frauen“, sagte sie. Der enge Zeitplan setze natürlich voraus, so Peer Steinbrück, „dass uns der Wähler dazu das Mandat gibt“.

Genau das steht derzeit in den Sternen. In den letzten Umfragen liegt Rot-Grün in weiter Ferne. Während die Grünen stabil um die 15 Prozent pendeln, sehen die Demoskopen die SPD zwischen 22 und 25 Prozent, also etwa bei jenen desaströsen 23 Prozent, die die Partei bei der letzten Bundestagswahl geholt hat.

Wohl auch um die Einigkeit beider Oppositionsparteien zu demonstrieren, setzten sich Göring-Eckardt und Steinbrück nun gemeinsam aufs Podium der Bundespressekonferenz. Mitte Dezember hatte es solch einen Auftritt bereits mit Steinbrück und Jürgen Trittin, dem anderen grünen Spitzenkandidaten, gegeben. Damals war das Thema Bankenkrise. Nun, gut ein halbes Jahr später und 73 Tage vor der Bundestagswahl, gab es diesen erneuten sichtbaren Schulterschluss zum Thema Mindestlohn. Die Botschaft: Rot-Grün oder gar nichts.

Peer Steinbrück hatte ja gleich nach Bekanntgabe seiner Kandidatur im Oktober klargestellt, für jede andere Koalition stünde er nicht zur Verfügung. Worauf die Grünen das Bündnis sogar in ihr Wahlprogramm schrieben. Dass der Wahlkampf so schlecht für die Sozialdemokraten laufen würde, hatte damals niemand auf dem Zettel. Wohl auch um anderen grünen Gedankenspielen vorzubeugen, hat sich zusätzlich vor zweieinhalb Wochen in Berlin die Basisinitiative „Bewegung jetzt“ gegründet. Deren Botschaft: „Rot-Grün ist mehr als eine Zählgemeinschaft, es ist ein gesellschaftlich notwendiges Bündnis.“

Gefragt nach dem aktuellen Binnenklima zwischen den Wunschkoalitionären, sprach Peer Steinbrück am Donnerstag von einem „fairen Umgang auf Augenhöhe“. Und Katrin Göring-Eckardt erklärte, man gebe sich „nicht gegenseitig Haltungsnoten“. Selbstredend wäre sie zufriedener, wenn beide Parteien in den Umfragen zulegten. Aber wenn sie unterwegs bei den Wählern sei, stelle sie fest: „Man spricht dort nicht so, wie man in Berlin schreibt.“