Schnell und gnadenlos

JUSTIZ Eine Amtsrichterin diffamiert Flüchtlinge pauschal als „Asyltouristen“

Die Verhandlungen setzt sie im Viertelstundentakt an. Manchmal wird die Zeit noch nicht einmal ausgeschöpft, bis die Asylbewerber im Schnellverfahren verurteilt sind, oft zu einer einmonatigen Haftstrafe. Wegen „illegaler Einreise“ nach Paragraf 95 Aufenthaltsgesetz.

Für Heidemarie P., Richterin am Amtsgericht Eisenhüttenstadt, sind es „Asyltouristen“ aus einem „Heer von Illegalen“, die ihren Lebensunterhalt „in der Regel durch Straftaten“ sichern. In den Ballungsgebieten, wo sich die Flüchtlinge aufhielten, komme es „immer mehr zu Spannungen“, die sich „in der Regel durch weitere Straftaten entladen“. Mehrere ähnliche Urteile aus dem Jahr 2012 liegen der taz vor.

Rabiat und giftig

Das ARD-Magazin „Report Mainz“ hatte in der vergangenen Woche über die Richterin und ihren Verhandlungsstil berichtet („laut, rabiat und vor allem giftig“). Der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisierte die Urteile der Richterin schon länger als rassistisch: Es spreche „dem Menschenrecht auf Asyl Hohn, wenn Flüchtlinge, ohne dass ihr individuelles Schicksal wahrgenommen wird, wegen ihres Schutzgesuches als ‚Aslytouristen‘ kriminalisiert werden“, heißt es in einer Stellungnahme vom April.

Laut Anwalt Volker Gerloff, der mehrfach Flüchtlinge vertreten hat, ist es der Richterin ein Anliegen, „in einer Art ‚richterlichem nationalem Widerstand‘, den erkannten vermeintlichen Missständen auf dem Gebiet der Migrationspolitik ‚dringend‘ durch die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe begegnen zu müssen“. Als er diese Formulierung in einem Berufungsantrag benutzte, stellte der ehemalige Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) Strafantrag wegen Beleidigung gegen ihn. Der wurde später fallen gelassen.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft nun, ob sie Ermittlungen wegen Rechtsbeugung gegen die Richterin aufnimmt. Man habe nach dem Fernsehbericht von sich aus diesen Schritt unternommen, sagte ein Sprecher. Zudem seien auch zwei Anzeigen eingegangen. Sie hätten nun per Computerabfrage eine Liste mit Urteilen der Richterin erstellt und würden diese nun bald anfordern und prüfen.

Wegen Rechtsbeugung nach § 339 Strafgesetzbuch kann ein Richter verurteilt werden, „welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht“. Strafmaß: Ein bis fünf Jahre Haft.

Unklar ist, ob die Richterin Urteile gefällt hat, nachdem die Vorwürfe gegen sie öffentlich wurden. Mehrere Termine waren angesetzt. Anwalt Gerloff berichtet davon, dass einer abgesagt wurde, weil sich die Richterin für befangen erklärte. Beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium wollen zunächst mögliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten. SEBASTIAN ERB