Schwierig zu finden, aber nicht zu verpassen

FILM Drei rätselhafte und philosophierende Filmkunstwerke von Andy Graydon zeigt die Berlinische Galerie in ihrer Videolounge

Er sitzt im Wald. Er raucht. Und er trägt eine von diesen orangefarbenen Bauarbeiterjacken mit reflektierenden Silberstreifen. Eine Männerstimme spricht in einer skandinavischen Sprache. Man versteht einzelne Wörter wie „Gespenst“, „Werwolf“, „Gnom“, „Außerirdische“. Dann ist die Leinwand schwarz, Glocken läuten, und als der Mann wieder im Bild ist, fordert er den Betrachter dazu auf, ihn zu begleiten.

So beginnt „The Findings“, eines der Filmkunstwerke von Andy Graydon, mit denen die Berlinische Galerie momentan ihre Videolounge bespielt. Wie der Mann im Wald befinden sich auch die anderen Helden in unbekannten Gefilden, von denen sie sich treiben und faszinieren lassen. Es gibt einen Japaner in Berlin. Einen Amerikaner in der Wüste. Und diesen Mann im Wald. Neben dem sichtbaren, gefilmten Raum zeichnen die Stimmen der Protagonisten imaginäre Welten und magische Orte.

Der japanische Designer aus „Vostok, Faretheewell“ klappert Berliner Sehenswürdigkeiten ab, verläuft sich auf Baustellen und klettert in Container. Gleichzeitig telefoniert er mit seiner Produktionsfirma in Korea und seiner Freundin in Tokio. Meist erklärt er seinem Chef, wie er sich Vostok vorstellt, das Raumschiff, das er für einen Science-Fiction-Film entwirft. Auch im Kopfkino der Zuschauer beginnt Vostok Gestalt anzunehmen. Der Designer spricht unter anderem von Narben und Mutationen, die von dem harten Schicksal des Raumschiffs zeugen und gleichzeitig eine eigenwillige Schönheit haben. Vor dem Hintergrund des Holocaustdenkmals oder der ehemaligen Abhörstation am Teufelsberg bekommen solche Beschreibungen einen ganz eigenen Beigeschmack. Als der Regisseur den ganzen Film neu schreibt und der Designer das Raumschiff entsprechend neu entwerfen soll, klingen seine Fragen zunehmend philosophisch: „Was ist der Ursprung, ich meine, wenn du willst, dass ich zum Ursprung zurückkehre, wo ist das?“

Der Rhythmus wechselt

Auch in „Farwanderer“ ist nicht immer klar, ob sich der Protagonist an eine Freundin oder an die Landschaft richtet. Mental befindet er sich bei ihr in New York, physisch in der chinesischen Wüste. In beiden Welten fühlt er sich zu Hause, und beide sind ihm fremd. Wie der Raum und der Wüstensand ist auch die Zeit vor allem eines: vielschichtig. Während der Protagonist sich an einer Ausgrabungsstätte in längst vergangene Zeiten vertieft, lebt er in der intensiven Gegenwart der Reise und grübelt im selben Moment über seine Zukunft. „Wie weit müssen wir uns entfernen, um zu verstehen, wo wir hingehören?“ Zwei parallel laufende Videos bilden eine Art Diptychon, sie spiegeln seinen Blick auf die Welt. Ausschnitte, Details und Farbflächen flackern über die Leinwand, verfärben sich, ergänzen und kopieren sich, widersprechen einander.

Andy Graydon filmt mit Super 8, das lässt die Bilder poetischer aussehen. Der Rhythmus wechselt, es knistert und rauscht. Manchmal schimmern Klänge eines Synthesizers durch den Ton, manchmal knartschen unsichtbare Frösche vor sich hin, oder eine Schaukel quietscht im Wind. Als käme der Ton aus einem dritten Raum, irgendwo zwischen Stimme und Bild, vielleicht aus der Erinnerung, vielleicht aus einem Traum.

Der Protagonist aus „The Findings“ sucht einen bestimmten Ort. Um es gleich zu sagen: Er findet ihn nicht. Vielleicht handelt es sich auch gar nicht um einen Ort, sondern um ein Wesen, ein Etwas. Dieses Etwas wird zunehmend mysteriös, es lockt ins Unbekannte, führt den Suchenden, verführt. Der Mann bleibt zuversichtlich: „Es ist schwierig, zu finden, aber unmöglich, zu verpassen.“ Am Ende entschuldigt er sich. Und sitzt im Wald. Und raucht. CATARINA VON WEDEMEYER

■ Heute, Freitag, 19 Uhr, werden in der Berlinischen Galerie weitere Filme von Andy Graydon gezeigt