Die Jahre nach dem Coming-out

Jubiläum beim Teddy Award: Zum 20. Mal wurde der schwul-lesbische Filmpreis verliehen. Klaus Wowereit war zur Feier da und hielt einen Rückblick, Dieter Kosslick war auch da und reimte spontan. Und Gewinner gibt es 2006 selbstverständlich auch

VON SEBASTIAN FRENZEL

Das E-Werk hat schon dreckigere Tage gesehen. Fein herausgeputzt zeigte sich der ehemalige Technoclub am Freitagabend zur Verleihung der Teddy Awards. Schon vor dem Gebäude glänzten die Sponsorenlimousinen in Reih und Glied, drinnen ging es über den roten Teppich für die ganz Wichtigen nach rechts in den Festsaal, für die nicht ganz so Wichtigen nach links in einen Saal, in dem man das Geschehen auf einer Videoleinwand verfolgen konnte. Aber auch das gehört wohl dazu bei einer Veranstaltung, die sich längst auf der Berlinale etabliert hat.

Im Vordergrund des Abends standen zunächst nicht die Preisträger, sondern stand der Teddy selbst, der in diesem Jahr seine 20. Verleihung feiert. Klaus Wowereit erinnerte in seinem Grußwort an die Anfänge des schwul-lesbischen Filmpreises, der 1987 vom damaligen Leiter der Panorama-Sektion, Manfred Salzgeber, zusammen mit Wieland Speck ins Leben gerufen wurde. Berlinale-Leiter Dieter Kosslick hatte keine Rede vorbereitet, redete aber natürlich dennoch und zeigte sich dabei als spontaner Reimkünstler: Der Berliner Bürgermeister sei in Wahrheit kein mayor, sondern ein gayer und dafür danke er ihm. Das Publikum nahm’s verhalten auf, und auch die „Ich hab so Sehnsucht“ trällernde Nina Hagen als erste Musikeinlage riss einen nicht eben aus dem Sessel. Man war froh, als es dann losging mit der Preisverleihung.

Und ein freudestrahlender Auraeus Solito auf die Bühne stürmte. Für sein Werk „Ang Pagdadalaga Ni Maximo Oliveros“ erhielt der junge philippinische Regisseur den Teddy für den besten Spielfilm. Solitos Film, der auf der Berlinale im Rahmen des Kinderfestivals lief, zeigt das Leben des 12-jährigen Maxi in den Slums Manilas. Maxi ist der ruhende Pol in einer Umgebung aus kleinkriminellen Verwandten und Freunden; dass er schwul ist, wird erst dann zum Problem, als er sich mit einem Polizisten anfreundet. Mehr als eine Coming-out-Geschichte entwirft Solito das feinfühlige Porträt eines kleinen Jungen und gibt nebenbei einen spannenden Einblick in das Leben der philippinischen Ureinwohner.

Für den größten Lacher des Abends sorgte Olivier Meyrou, der den Teddy Award in der Sparte Bester Dokumentarfilm erhielt. Oder vielmehr: erhalten sollte. Denn als der französische Regisseur auf die Bühne gebeten wurde, geschah nichts – er war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht im Saal. Sein Film „Au-delà de la haine“ ist dabei alles andere als lustig: Er schildert die Ermordung des 29-jährigen François Cheru, der im September 2002 von drei Skinheads überfallen wurde. Meyrous Film lässt die Angehörigen des Opfers zu Wort kommen und nähert sich von einer privaten Perspektive aus den gesellschaftlichen Umständen des Überfalls. Die weitere Preisträger: Maryam Keshavarz’ „El Dia Que Mori“ bekam den Teddy für den besten Kurzfilm; der Jurypreis ging an Patrick Carpentier für „Combat“, und Tomer Heymann erhielt für seine Dokumentation „Paper Dolls“ den Preis der Zeitschrift Siegessäule.

Übergeben wurden die Preise von ehemaligen Teddy-Gewinnern, auch sonst war der Abend von einem Blick zurück gekennzeichnet. Was okay war, weil man so noch einmal sehen konnte, wie viele Impulse der Teddy in den vergangen Jahren gegeben hat. Schön etwa war es, die Macherinnen der „The Brandon Teena Story“ auf der Bühne zu sehen, die mit ihrer Doku 1997 die Grundlage für den späteren, Oscar-prämierten Film „Boys don’t cry“ gelegt haben.

Doch andererseits verströmte die Preisverleihung dadurch auch den Charme einer gediegenen Gedenkfeier, was die lahmen Musikeinlagen nicht eben besser machten. Vielleicht hätte man den Abend besser genutzt, um über die Zukunft und die nächsten 20 Jahre des Teddys nachzudenken. Oder zumindest in der Gegenwart eine rauschende Party auf die Beine zu stellen. Einem queeren 20-Jährigen im E-Werk hätte man ein bisschen mehr Exzess gewünscht.