Beim Behle brummt’s

Die Estin Kristina Smigun holt über 15 Kilometer ihre zweite Goldmedaille, die deutschen Langläuferinnen fahren erneut hinterher, und schuld soll mal wieder das Hämoglobin sein

AUS PRAGELATO FRANK KETTERER

Über Nacht hatte es zu nieseln begonnen in Pragelato Plan, und was das anrichten kann, war am nächsten Morgen zu begutachten: Der Pulverschnee, der in den vergangenen Tagen in der Sonne geglitzert hatte, war zu schwerem Papp zusammengefallen, die äußeren Bedingungen für das gestrige 10-km-Rennen der Frauen im klassischen Stil hatten sich schlagartig verändert.

Für Uwe Bellmann, den Cheftechniker des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), bedeutete das eine kurze Nacht. Schließlich musste das alte Wachs runter von den Skiern der deutschen Langlauffrauen und neues, das für Nassschnee, drauf. Chefwachser Bellmann tat sein Bestes, aber so richtig Wirkung zeigen wollte das nicht. Im Rennen gaben erneut Athletinnen anderer Nationen den Ton an, allen voran die Estin Kristina Smigun, die sich nach ihrem Sieg im 15-km-Verfolgungsrennen nach 27:51,4 Minuten schon ihre zweite Goldmedaille bei diesen Winterspielen von Turin sicherte, gefolgt von der im Vorfeld favorisierten Norwegerin Marit Bjorgen sowie deren Landsfrau Hilde Pedersen.

Die vier deutschen Starterinnen kamen im Vergleich dazu doch deutlich verspätet ins Ziel. Stefanie Böhler landete mit satten 2:51,8 Minuten Rückstand auf Rang 38, Evi Sachenbacher-Stehle mit immerhin 1:47,0 Min. auf Rang 20, Claudia Künzel wiederum brachte es mit 1:40,2 Min. Verspätung auf Platz 17. Einigermaßen im Rahmen blieb lediglich Viola Bauer, die ihren Rückstand auf Smigun auf 1:12,2 Min. begrenzen konnte, was zu Rang zehn reichte samt der messerscharfen Analyse: „Ich hatte mir Platz zehn vorgenommen. Das habe ich gerade so geschafft.“

An Uwe Bellmann, dem Wachser, dürfte es allerdings nicht gelegen haben, dass die deutsche Langlaufabteilung erneut unter der Zielsetzung geblieben war, die zwei DSV-Läuferinnen in den Top-Ten vorgesehen hatte. „Wir sind hinter den Erwartungen geblieben, das muss man so deutlich sagen“, brummte Bundestrainer Jochen Behle nach dem Rennen missmutig. Schon davor hatte er bedeutungsschwanger wissen lassen: „Ich hoffe, das wir das ganze Theater der letzten Tage gut überstanden haben.“

Mit dem ganzen Theater war denn auch schon wieder der erhöhte Hämoglobinwert gemeint, der vor einer Woche bei Evi Sachenbacher-Stehle festgestellt worden war, und die daraus zwingend resultierende Schutzsperre. Der Ton, mit dem Behle seine Hoffnung vortrug, klang schon wieder vorwurfsvoll. Ganz offensichtlich haben der Bundestrainer und auch ein paar andere Herren im deutschen Ski-Langlauf-Lager immer noch nicht eingesehen, dass für das ganze Theater allein sie verantwortlich sind – und weder der Internationalen Ski-Verband Fis noch die Medien. Die einen haben nur ihre Regeln eingehalten, die auch für Deutsche gelten, die anderen nur über das bereits vorhandene Theater berichtet.

Zumal der DSV im Rückblick ohnehin in den meisten Punkten wieder hat zurückrudern müssen, die er zu Wochenbeginn noch lautstark als Protest formuliert hatte. Zum Beispiel, dass Sachenbacher-Stehle genetisch bedingt über einen erhöhten Hämoglobinwert verfüge, was die bei ihr gemessenen 16,4 Gramm pro Deziliter und somit die Grenzwertüberschreitung (16,0) erkläre und schon des Öfteren vorgekommen sei. Das, so weiß man mittlerweile, stimmt nachweislich nicht. Und Sachenbacher selbst gab zu Protokoll: „Es war das erste Mal, dass ich über dem Grenzwert gelegen bin – und hoffentlich das letzte Mal.“

Diese Hoffnung mag man gerne teilen. Zumal Richard Pound, Chef der Welt-Anti-Dopingagentur Wada, am Mittwochabend erneut deutlich gemacht hat, dass er bezüglich der bestehenden Grenzwerte keinerlei Diskussionsbereitschaft aufbringe. Ganz im Gegenteil: „Vielleicht sollten wir solche Fälle künftig als Dopingfälle werten und nicht mehr als reine Gesundheitsfrage“, hat Pound gesagt. Evi Sachenbacher-Stehle und der DSV dürfen diese Worte durchaus als Warnung verstehen.