Greenpeace unter Terrorverdacht

Umweltschützer werden in Dänemark nach Antiterrorgesetz bestraft. Aktivisten waren auf ein Bürohaus des Bauernverbandes geklettert, um Anti-Genmais-Plakat auszurollen. Richter werteten das als „rechtswidrigen Eingriff in Eigentum“. Kein Einzelfall

AUS KOPENHAGENREINHARD WOLFF

Ist Greenpeace eine internationale Terrororganisation? In Dänemark ist eine Anti-Genmais-Aktion der Umweltschutzorganisation jetzt jedenfalls bestraft worden – per Gesetz, das infolge des Antiterrorkampf erlassen wurde. „Das ist ein widersinniger Vorgang“, kritisiert Lennart Daléus, Chef von Greenpeace Skandinavien: „Wenn Greenpeace von einer Gesetzgebung getroffen wird, mit der man den internationalen Terrorismus bekämpfen wollte, kann jeder zivile Ungehorsam bestraft werden.“

„Nej till GMO-svin“ – Nein zu GMO-Schweinen – stand schwarz auf gelb auf einem Plakat, mit dem AktivistInnen von Greenpeace im Oktober 2003 gegen Gen-Mais als Schweinefutter demonstrierten. Das Plakat hatten sie an der Fassade der Zentrale des dänischen Bauernverbands in Kopenhagen befestigt. Die 15 Greenpeacer wurden wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung verurteilt. Diese Strafen sind üblich. Nur war es damit nicht getan.

Denn als Reaktion auf den Terroranschlag am 9. 11. 2001 hat das dänische Parlament im Juni 2002 ein Paket von Antiterrorgesetzen verabschiedet. Dazu gehört auch Paragraf 306. Darin ist geregelt, das nunmehr nicht allein Personen, sondern auch die Organisationen selbst für Aktionen haften müssen. Vorausgesetzt: Die AktivistInnen können dem Verband oder dem Verein zugerechnet werden.

Schon als der Paragraf getextet wurde, hatten JuristInnen vor einer unsinnigen Verschärfung der Gesetzeslage gewarnt: Die Vorschrift, so kritisierten sie, treffe künftig alle Organisationen, sobald sie eine Aktion starteten. Ausgenommen seien allenfalls noch diejenigen, deren Meinungsbildung sich auf das Verteilen von Flugblättern beschränke. DerGreenpeace-Fall gibt ihnen erstmals Recht. Mit dem jetzigen Urteil des Landgerichts Kopenhagen wurde in zweiter Instanz folgende Entscheidung des Amtsgerichts vom Juni 2005 bestätigt: Das Hochklettern an einer Fassade eines Bürohauses stellt einen rechtswidrigen Eigentumseingriff dar. Für diesen muss Greenpeace als Organisation haften. In zweiter Instanz wurde die bereits verhängte Strafe zudem nahezu verdoppelt – auf 7.000 Euro.

Greenpeace will nun zusammen mit amnesty international, dänischen Gewerkschaften und andere Nichtregierungsorganisationen eine Kampagne gegen den Paragrafen initiieren. Greenpeace-Anwalt Steen Bech sagt: „Die Terrorgesetzgebung darf nicht Organisationen treffen, die mit friedlichen Mitteln arbeiten.“ Tatsächlich müssen die Organisationen damit rechnen, für die Aktionen aller MitgliederInnen und bloßer SympathisantInnen verantwortlich gemacht zu werden.

Dänemark wird kein Einzelfall bleiben. Den Rahmen für die Antiterrorgesetzgebung hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten vorgegeben. Er enthält so weit reichende Definitionen, dass in den meisten Ländern das Ausrollen von Plakaten an Fassaden unter den Terrorbegriff fallen kann.