Ilisu-Staudamm: Türkei will Baustart schon im April

UMWELTZERSTÖRUNG Finanzierung und technische Umsetzung des Projekts sind noch offen

ISTANBUL afp/taz | Die Türkei will nach einem Zeitungsbericht im April mit den Bauarbeiten an dem umstrittenen Staudammprojekt Ilisu im Südosten des Landes beginnen. Eine vor kurzem gefällte Gerichtsentscheidung zum Stopp der Vorbereitungen für die Umsiedlung der Stadt Hasankeyf stelle kein Hindernis für den Beginn der Arbeiten dar, zitierte die Zeitung Sabah am Dienstag Vertreter des türkischen Wasserbauamtes DSI. Deutschland, Österreich und die Schweiz hatten sich im vergangenen Jahr aus dem Milliardenprojekt zurückgezogen.

Mit dem Damm am Tigris will Ankara zum wirtschaftlichen Aufschwung im armen Südostanatolien beitragen. Er soll zur Energiegewinnung dienen, außerdem verspricht sich die Regierung bessere Bewässerungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft. Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollten das Bauwerk im Auftrag des DSI errichten. Die Kreditversicherer aus den drei Ländern hatten ihre Unterstützung für das Projekt jedoch an international gültige Mindeststandards für den Schutz von Umwelt und Kulturgütern sowie zur Umsiedlung von mehr als 50.000 Menschen geknüpft. Im Juli stoppten die Regierungen der drei Länder ihre Kreditbürgschaften, weil die Türkei die Auflagen nicht erfüllt hatte. Die türkische Regierung will das Projekt deshalb nun wieder alleine vorantreiben.

Erst vergangene Woche hatte Ministerpräsident Tayyip Erdogan angekündigt, es seien neue Geldgeber gefunden worden. Wer jedoch den Bau des zwei Milliarden Euro teuren Staudamms finanzieren soll, ließ Erdogan bislang offen. Zudem war die Türkei in der Vergangenheit für den Dammbau auf technisches Know-how spezialisierter Baukonzerne angewiesen. Auch dieses Wissen ist für den Ilisu-Staudamm derzeit nicht in Sicht, da das Projekt international unter seinem Reputationsverlust leidet.

Durch den Staudamm würde unter anderem die uralte Stadt Hasankeyf von einem 300 Quadratkilometer großen Stausee überschwemmt werden. Ein türkisches Verwaltungsgericht hatte kürzlich die Enteignung von Bauern gestoppt, auf deren Besitz die geplante Neugründung von Hasankeyf sowie ein Park für Kulturdenkmäler aus Hasankeyf gebaut werden sollen. Laut Sabah betonten DSI-Vertreter jedoch, die Gerichtsentscheidung betreffe nur ein Prozent der Einzugsfläche des Projekts. Deshalb werde der Bau im April beginnen. Gegner des Projekts haben bereits ihren Widerstand angekündigt.