„Da ist etwas losgetreten“

Am 31. Januar läuft die Kampagne „Du bist Deutschland“ aus. Holger Jung von der verantwortlichen Werbeagentur über Anfeindungen und Akzeptanzwerte der umstrittenen Initiative

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

„Du bist Deutschland“ ist von der Medienkooperation „Partner für Innovation“ initiiert worden. Gestaltet wurden die Spots und Anzeigen von der Werbeagentur Jung von Matt.

taz: Herr Jung, kaum eine Kampagne hat in letzter Zeit so die Gemüter erregt wie „Du bist Deutschland“. Mal ehrlich: Darauf haben Sie doch abgezielt.

Holger Jung: Ja, das haben wir schon erwartet. Es ist ja ein Thema, das sensibel ist und ethische Höhe, Breite und Tiefe hat. Und dass das ordentlich die Gemüter bewegt, ist der Sinn der Kampagne. Uns war klar, dass wild über „Du bist Deutschland“ diskutiert wird. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte uns das sehr enttäuscht und das unangenehme Signal vermittelt, dass bei uns in Deutschland alle völlig abgestumpft sind.

Ihr Partner Jean-Rémy von Matt hat auf diverse Schmähartikel im Netz ziemlich heftig reagiert und Blogs sogar als „Klowände des Internets“ bezeichnet. Ist da was nach hinten losgegangen?

Erstens war die E-Mail meines Partners, die da ins Netz gestellt wurde, überhaupt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Zweitens hat er sich sofort der Diskussion in den Blogs gestellt. Einerseits mit einer Entschuldigung, andererseits auch kritisch – ich zitiere: „Auch wenn die meiste Kritik an meinem Text konstruktiv und ernsthaft war, empfinde ich es als kommunikativen Hausfriedensbruch, dass eine interne Mail wie eine Sau durchs Dorf ‚Kleinbloggersheim‘ getrieben wird.“ Weiter kann man darüber nicht lange reden; was draußen ist, ist draußen. Aber wir wissen doch alle, dass es Dinge gibt, die man für den kleinen Zirkel sagt – und Dinge für den großen Kreis.

Dann gab es da ja noch mitten in der Kampagne einen „GAU“ im besten Wortsinn, als bekannt wurde, dass auch die Nazis den Slogan „Du bist Deutschland“ benutzt haben.

Das war ein sehr seriöser Zwischenfall, der zu sehr heftigen internen Diskussion führte. Als wir dann herausbekamen, dass es sich lediglich um einen lokalen Aufruf für einen kleinen lokalen Aufmarsch in Ludwigshafen handelte und keineswegs um einen Nazi-Slogan auf dem Level „Arbeit macht frei“ oder Ähnliches, waren wir erleichtert. Zumal uns das Historiker bestätigt haben. Da konnten wir guten Gewissens mit dem Slogan weitermachen.

Froh also, dass diese Bombe erst nach ein paar Wochen und nicht zu Beginn der Kampagne platzte?

Die sensibelste Phase bei einer Werbekampagne ist der Steigflug. Das ist wie beim Flugzeug. Ab einem bestimmten Punkt gibt es dann logischerweise auch keine Umkehr mehr. Und in einer ganz frühen Phase hätte das sicherlich etwas ausgemacht, und wir hätten vielleicht über eine Slogan-Alternative nachgedacht. Denn sehen Sie sich die Kampagne und den Spot an: Das Allerletzte, was wir wollen, ist, in eine nationalistische Richtung abzugleiten. Das wäre praktisch genau das Gegenteil der Kampagne.

Und hat’s Deutschland begriffen? Wie steht’s denn mit der Akzeptanz?

Die ist in der breiten Bevölkerung wirklich gut: 51 Prozent der Bundesbürger kennen die Kampagne. Und 47 Prozent der Menschen, die sie kennen, bewerten sie positiv. 41 Prozent sagen zudem, die Kampagne spreche ein für sie persönlich wichtiges Thema an. Das sind sehr, sehr gute Werte.

Und warum war dann das Echo bei der nicht so breiten Öffentlichkeit, also den Medien und bei anderen Werbern, so vernichtend?

Für manche Vertreter der schreibenden Zunft scheint die Tatsache, dass man sich als Reklamefritze überhaupt so einem sensiblen Thema – und dann auch noch per Werbekampagne – nähert, einen Tabubruch zu bedeuten. Das provoziert Aufbegehren. Und zweitens: Wenn man mit Kommunikation bei einem sensiblen Thema was erreichen will, muss man den Hebel an nur einer Stelle ansetzen …

und der darf gerne auch ein bisschen platter sein?

Der muss im Zweifel sogar platter sein. Es kam doch darauf an, sich bei diesen komplexen Problemnetz, das wir in Deutschland haben, nicht in dieser Komplexität zu verlieren. Worauf wir uns konzentriert haben, ist eine Eigenart, die hierzulande derzeit ganz offensichtlich ist: Bei allen Problemen dieser Welt die Verantwortung von sich wegzuschieben und zu sagen: „Ich bin nicht schuld, das sind ja die anderen.“ Das findet die Intelligenzija dann zu eindimensional für ein Problem, das sicherlich hochkomplex verstrickt ist. Aber das kann eine Kampagne nicht lösen, sie muss sich auf ein Schlüsselproblem konzentrieren, das bei jedem Einzelnen liegt. Die Reaktionen, die wir bekommen, die Menschen, die bei uns anrufen, zeigen ja: Da ist etwas losgetreten worden. Und genau das soll ja die Kampagne.

Geht da am Ende doch noch der berühmte Ruck durch Deutschland?

Wir bilden uns bestimmt nicht ein, allein mit der Kampagne irgendeinen Ruck in Deutschland hinzukriegen. Aber wenn sie es schafft, ein bisschen was für die Bewusstseinssteuerung zu tun, dann wäre das ein wunderbarer Erfolg.

Klingt glatt so, als würden Sie sich mit „Du bist Deutschland“ selbst identifizieren.

Ja, das ist eine Pro-bono-Kampagne, die wir freiwillig und gerne und ohne irgendeinen finanziellen Nutzen gemacht haben. Weil wir uns damit identifizieren.