Schanzenbuchladen, Hamburg

ATMOSPHÄRE Ums Verkaufen geht es hier weniger, dafür stimmt die Haltung

Wenn jeder stationäre Laden ein Schutzwall gegen die asensorische Lektürefeindschaft des Internets ist, gibt es unter all den Trutzburgen in Hamburg eine uneinnehmbare Festung: die Buchhandlung im Schanzenviertel. Und das ist bei aller Liebe, nun ja, ambivalent.

Denn einerseits gibt es auf der ganzen Welt vermutlich kein kommerzielles Ladengeschäft, das den Gedanken profitfördernder Dienstleistung weniger verinnerlicht hat als dieses – so schwer, wie den Verkaufenden darin ein Lächeln abzuringen ist. So schluffig, wie das Personal bisweilen daherkommt. So grummelnd fast jede Quittung ausgestellt und die Frage nach, sagen wir: Dan Brown bearbeitet wird.

Andererseits jedoch gibt es hier die Kampfliteratur wider den turbokapitalistischen Zeitgeist direkt im Eingangsbereich, dort also, wo sich andernorts turmhoch die Bestseller stapeln. Gleich rechts der charmant chaotischen, stets überfüllten Kraut-und-Rüben-Kasse stehen linke bis linksradikale Zeitschriften, deren Existenz bei Hugendubel gänzlich unbekannt sein dürfte. Und wer nach abseitigem Zeugs von Lyrik bis Reiseliteratur mit lebensnaher Beratung sucht, sollte besser hier mal fragen als bei Amazon abzugleichen, was Käufer des „Lonely Planet Los Angeles“ noch so kaufen.

Gut, auch bei diesem Informationsgespräch bleiben die erlernten Verkaufsmechanismen (direkte Ansprache, unbedingte Förmlichkeit, strikte Zielführung) aller Voraussicht nach eher underperformed. Aber so ein leicht näselndes „Du, das muss schon jeder für sich entscheiden“ ist verglichen mit dem weit professionelleren „Das müssen Sie wirklich uuun-be-dingt lesen“ am Ende doch die authentischere Form echter Höflichkeit.

JAN FREITAG