„Mon 808“ statt Mais

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Warum das System nichts taugt

Die Welthandelsorganisation (WTO) wird bekanntlich beherrscht von Nestlé, Monsanto, und anderen internationalen Konzernen. Die Leute, die in der WTO was zu sagen haben, hat in diese Funktion nie jemand demokratisch gewählt.

Die EU-Kommission wird auch nicht demokratisch gewählt, sie muss sich gegenüber den Völkern Europas bekanntlich nicht rechtfertigen für das, was sie tut. In Griechenland werden Parlament und Regierung gewählt vom Volk. In Oberösterreich auch.

Und dort will die Mehrheit der Bauern, der Menschen, der Parlamente und der Regierungen keine Ausbringung genveränderter Organismen (GVO). Sie fürchten, dass diese Pflanzen andere, gentechnisch nicht veränderte Pflanzen „kontaminieren“, also auskreuzen und damit die Ernten aus natürlichen Pflanzen genetisch verderben.

Griechenland und Oberösterreich erlassen entsprechende Gesetze, nach denen solche Pflanzen nicht zur Aussaat gebracht werden dürfen. Damit kann das GVO-Saatgut dort auch nicht gehandelt werden. Die WTO droht der EU mit einem „Streitschlichtungsverfahren“, weil die EU seit einigen Jahren ein Moratorium erlassen hat, nach dem GVO in der EU nicht zur Aussaat gebracht werden dürfen – entsprechend dem Wunsch der Mehrheit der europäischen Völker, Bauern und Regierungen. Die WTO verteidigt mit ihrer Drohung das „Recht auf freien Welthandel“ der Multis: das „Recht“ von Monsanto, sein Saatgut des gentechnisch veränderten Mais „Mon 810“ auch in Griechenland und Oberösterreich verscherbeln zu dürfen.

Nach der Drohung der WTO erlässt die EU eilfertig eine Verordnung, nach der der Anbau dieser Pflanzen nicht verboten werden darf. Oberösterreich klagt, der Europäische Gerichtshof, auch nicht demokratisch legitimiert, weist die Klage zurück.

Oberösterreich muss das Zeug nun zulassen. Die Bauern, die gentechnisch unverändertes Saatgut ausbringen und entsprechende Ernte einfahren wollen, sind der Gefahr der Kontaminierung ihrer Ernten ausgesetzt. Wissenschaftler halten zudem die einmal freigesetzten GVO für nicht rückholbar.

Die weltweit agierenden Saatgutkonzerne haben sich durchgesetzt – gegen den erklärten Willen einer Mehrheit der Oberösterreicher. Das berichtete auf der „2. Europäischen Konferenz Gentechnikfreier Regionen, Biodiversität und ländlicher Entwicklung“ am Wochenende in Berlin der dortige Landwirtschaftsminister.

Was lernen wir daraus? Die EU ist das Einfallstor der Multis und ihrer Lobbyisten in die regionalen und nationalen europäischen Gesetzgebungsverfahren: Die müssen nicht mehr mühselig Land für Land, Bezirk für Bezirk versuchen, Mehrheiten für die Zulassung ihrer Geschäfte zu finden. Sie müssen nur einen EU-Kommissär durch „Überzeugung“, Bestechung, oder Druck, etwa mit Klagedrohungen der WTO, zu ihren Wünschen entsprechenden EU-Regeln veranlassen. Damit sind die nationalen und regionalen Gesetzgeber gebunden, sie müssen umsetzen, was die Antidemokraten oktroyiert haben.

Reformieren kann man ein solches System nicht. Das ist die wahrhaft traurige Perspektive für Europa: Die EU in der Form, in der wir sie vorfinden, muss zerschlagen werden.

Unser Autor ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin