Ein positives Nachspiel

FALL BRENDER Grüne und Linken stellen ihre Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag vor. Damit der Fall vors Bundesverfassungsgericht kommt, brauchen sie Stimmen der SPD

„Dann hat Roland Koch der Rundfunkfreiheit sogar einen Gefallen getan“

Tabea Rössner, Grüne

Aus Berlin Daniel Bouhs

Tabea Rößner kennt die Geschichten rund um die Freundeskreise der ZDF-Gremien. Sie hatte lange Gelegenheit, dem Flurfunk auf dem Mainzer Lerchenberg zu lauschen: Bis 2009 war sie Redakteurin. Seitdem sitzt Rößner für die Grünen nicht mehr nur im Mainzer Stadtrat, sondern auch im Bundestag. Und schießt als medienpolitische Fraktionssprecherin gegen politischen Einfluss auf das Zweite.

Das ZDF konnte im November den Vertrag seines Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängern, weil die Unionsvertreter um Hessen-Chef Roland Koch im Verwaltungsrat des Senders dagegenhielten. Für Tabea Rößner ist der Fall ein „Tiefpunkt in der Geschichte der deutschen Rundfunkfreiheit“. Jetzt wolle sie versuchen, die Sache zu etwas Positivem zu drehen.

Am Mittwochabend stellte Tabea Rößner in Berlin zusammen mit der Linken ihre angekündigte Verfassungsklage vor. Verfasst wurde sie von Medienjurist Dieter Dörr, der auch Mainzer ist. Dörr sieht den ZDF-Staatsvertrag als verfassungswidrig an. Er verstoße gegen die Rundfunkfreiheit und gegen das Willkürverbot.

Für einen sogenannten Normenkontrollantrag braucht Rößner die Stimmen von einem Viertel aller Bundestagsabgeordneten. Grüne und Linke, die den Plan stützen, haben aktuell 144 Sitze, fehlen noch zwölf. In der nächsten Sitzungswoche Ende Februar will Rößner Gespräche mit der SPD führen, damit „die Opposition den Antrag möglichst geschlossen abgibt“.

Der Plan verärgerte die Länderchefs. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates ist und die Rundfunkkommission der Länder leitet, hatte schon zuvor angekündigt, den Staatsvertrag zu überarbeiten. Doch da der Vertrag, der quasi die Existenzberechtigung des Zweiten ist, von allen Ländern getragen wird, müssen all ihre Chefs einer Änderung zustimmen. Dass das bei diesem sensiblen Thema klappt, bei dem es um den Einfluss ihrer Staatskanzleien geht, ist zweifelhaft. Beck plane ohnehin nur „kosmetische Korrekturen“, sagte Dörr, dem es um eine grundlegende Entscheidung in Karlsruhe gehe. Die hätte den Vorteil, dass sich an ihr auch die neun ARD-Anstalten messen lassen müssten.

Dörr und Rößner sagten, ihnen gehe es nicht darum, Parteien komplett aus den Gremien zu werfen, weil sie Teile der Gesellschaft repräsentierten. „Staatsferne ist für mich nicht die gänzliche Ferne von Politik sondern von Regierungen und Staatskanzleien“, sagte Rößner. Regierende dürften aber kein Vetorecht mehr wie im Fall Brender innehaben, schon gar nicht bei Personalien, die nicht zuletzt die Programmautonomie tangierten.

Sollte ihr Antrag im Frühjahr den Bundestag passieren, dürfte ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gut zwei Jahre dauern. Und sollte es dann auch noch wirklich zu einem Urteil kommen, das den Einfluss der Herrschenden auf den Rundfunk beschränkt, würde wahr werden, was Rößner jüngst sagte: „Dann hat Roland Koch der Rundfunkfreiheit sogar einen Gefallen getan.“