Von Kimchi bis Kässpätzle

LECKEREIEN Man kann gar nicht so viel essen, wie man probieren möchte: In der Markthalle Neun werden internationale Delikatessen vom Straßenstand serviert

Sie bereitet gerade grünen Papaya-Salat mit Limetten-Dressing und Koriander

VON SUSANNE MESSMER

Street Food in Berlin, das hieß bislang vor allem: Pommesbuden. Und natürlich: Currywurst. Nun gibt es allerdings in dieser Stadt immer mehr Leute aus aller Welt und Weitgereiste, die eine andere Vorstellung von Street Food haben. Sie wissen: In vielen Ländern gehört Street Food zum Besten, was man dort essen kann. Es ist preiswert, kommunikativ, man schaut dem Koch beim Kochen zu, hält ein Schwätzchen in der Warteschlange. Und das Essen selbst? Ist einfach, kommt meist aus der Region und frisch aus Topf, Pfanne und Dämpfkorb – man denke etwa an die berühmte vietnamesische Reisnudelsuppe Pho, ans indische Tandoori-Chicken oder an chinesische Dumplings.

Street Food liegt im Trend, viele vermissen Street Food in Berlin. Das haben nun auch die Betreiber der Markthalle Neun in der Kreuzberger Eisenbahnstraße erkannt. Am Freitag und am Sonntag gibt es dort schon seit anderthalb Jahren ein erneuertes Konzept für Fans regionaler Lebensmittel: mit einem Stand für Fischräucherei zum Beispiel oder auch mit dem Grillrestaurant „Big Stuff Smoked BBQ“. Zusätzlich laden die Betreiber der Markthalle seit Neuestem jeden Donnerstag unter dem Titel „Street Food Thursday“ 20 weitere Köche in kleine Buden mit rot-weiß gestreiften Markisen.

20 Köche sind das, die genau wissen, was der Charme von Street Food sein kann. Da sind zum Beispiel Siripen Lingk und „Fräulein Kimchi“.

Die eine, die beim Zerreißen der frischen grünen Kräuter erzählt, wie sie vor knapp zehn Jahren aus Thailand nach Berlin kam und nun unter dem Namen „Glücksmädchen“ eine eigene Cateringfirma betreibt: Sie bereitet gerade grünen Papaya-Salat mit Chili-Limetten-Dressing und viel Koriander. Die andere, die beim Rühren erzählt, wie sie in Seoul geboren und in den Vororten von Toronto, Chicago und Los Angeles aufgewachsen ist: Sie bereitet gerade raffinierte koreanische Tacos mit selbst gemachtem, scharfem Kimchi aus Rotkohl.

Sowohl Siripen Lingk als auch Fräulein Kimchi sind wie die Mehrzahl der in der Markthalle vertretenen Köche kleine Stars der Kitchensurfing-Szene – einer Berliner Internetplattform, über die man sich den Koch nach Hause bestellen kann. Viele von ihnen betreiben auch Supper-Clubs. Sie sind also Teil jener angesagten geheimen Gourmetgesellschaft, in der man sich seit einigen Jahren auch in Berlin im Internet verabredet und in Privatwohnungen trifft – wo häufig gelernte Spitzenköche zu vertretbaren Preisen ihr Können beweisen, allerdings zumeist ohne Lizenz.

Das bunte Durcheinander der Küchen und der Köche, die jeden Donnerstag hier stehen, verleiht der Markthalle ein kosmopolitisches kulinarisches Flair, wie man es derart kreativ und energiegeladen noch immer selten findet in Berlin. Man kann gar nicht so viel probieren, wie man möchte: Da ist gibt es am Stand von „Zuhause Berlin“ flauschweich gedämpfte Brötchen mit einer Füllung aus mit Ahornsirup glasiertem Schweinebauch und Sellerie-Remoulade. Am Stand des Iren Matthew Minch kann man Pies mit den verrücktesten Füllungen kaufen. Überall drängen sich Menschen: eine junge Mutter mit Kopftuch und Baby vorm Bauch, ein studentisch wirkender Rastaträger, zwei Schulkinder, ein älteres Paar mit Nickelbrillen.

Einer der erstaunlichsten Stände in der Markthalle aber ist der „Heiße Hobel“, ein nostalgischer, hoch eleganter Wohnwagenanhänger aus der DDR. Drin machen Florian Rohrmoser und Mirjam Touka die weltbesten Kässpätzle – und zwar, wie Rohrmoser sofort betont, nach Allgäuer, nicht nach schwäbischer Tradition. Während er die Nudeln zackig ins brodelnde Wasser hobelt, sie schwungvoll mit dem Seiher herausfischt und blitzschnell mit dem besonders aromatischen Bergkäse aus der familieneigenen Käserei im Allgäu vermengt, verrät er ein paar Geheimnisse.

Er erzählt etwa, dass die Spätzle nicht ganz abtropfen dürfen, damit sie schön schlunzig werden. Dass er lieber den Hobel mit den großen Löchern ohne Zinken benutzt, denn er kocht eher Knöpfle, sie sind kürzer und dicker als Spätzle. Und dass er nur Kompromisse bei den Zwiebeln machen musste, die er nur kross fritieren kann. Es fehlt einfach die Zeit, sie mit Butter in der Pfanne zu schmelzen – sanft und zart und langsam, wie es eigentlich sein muss.

Trotzdem: Die Spätzle von Florian Rohrmoser, die übrigens wie vieles in der Markthalle nur 4 Euro pro Portion kosten, sind köstlich. Und das ist nicht nur dem edlen Käse zu verdanken, sondern auch dem Umstand, dass man sie direkt aus dem Wasser auf den Pappteller bekommt – noch frischer, weil schneller als in jedem Restaurant. Hausmannskost auf die Hand, die so noch mehr überzeugt als auf dem Teller mit Goldrand? Weltgewandter kann man wohl kaum kochen. Keine Frage: Street Food in Berlin hat eine strahlende und eine äußerst schmackhafte Zukunft.

■ Donnerstag 17 bis 22 Uhr, Eisenbahnstraße 42