Neuer Index, größere Klassen

BILDUNG Weil Schulforscher sie neu einstuften, verlieren 64 Grundschulen Fördermittel und Personal. Schulleiter und Elternräte protestieren in offenen Briefen. Sie kritisieren die Erhebungsmethode

Für den neuen Sozialindex hat das Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsmanagement (IFQB) im Jahr 2011 die Schulen befragt.

■ Gegenüber Erhebungen von 2003 und 2005 hat sich laut IFBQ die Lage an Gymnasien und Grundschulen etwas verbessert, an Stadtteilschulen dagegen etwas verschlechtert.

■ Unter den 204 Grundschulen hat sich bei 64 die Lage verbessert, bei 42 verschlechtert. Im Saldo bleiben hier Ressourcen übrig.

■ Unter den 57 Stadtteilschulen hat sich bei zehn die Lage verbessert, bei 19 verschlechtert. Dies führt nicht zu kleineren Klassen.

■ Unter den 60 Gymnasien hat sich bei 18 die Lage verbessert, bei fünf verschlechtert.

Er solle genauer und gerechter sein, hatte Schulsenator Ties Rabe (SPD) erklärt, als er Ende Februar den neuen „Sozialindex“ für Hamburgs Schulen vorstellte. Inzwischen gibt es ein Protestschreiben von 67 Schulleitern und offene Briefe verärgerter Elternräte. Denn unterm Strich sparen die neuen Indizes 56 Lehrerstellen und bedeuten für 64 Grundschulen einen Personalverlust.

Vorangegangen waren einige Jahre, in denen die Stadt Schulen in sozial schwieriger Lage bewusst bevorzugte. Es galten die sechs Stufen des „Kess-Index“. Grundschulen mit Kess-Stufe eins und zwei haben kleine Klassen mit nur 19 statt 23 Schülern. Auch Fördermittel für Sprache und Inklusion werden nach diesem Index vergeben.

Doch laut der Analyse eines behördeneigenen Instituts hat sich die soziale Lage bei 64 der 204 Grundschulen verbessert. Dramatisch ist dies für neun Grundschulen, die künftig größere Klassen zusammenstellen müssen, weil sie den Kess-eins- oder -zwei-Status verlieren. So wird die Fridtjof-Nansen Schule in Lurup von zwei auf drei hochgestuft. Doch dass sich die Lage der Familien im Viertel verbessert habe „können wir als Luruper Eltern nicht bestätigen“, schreibt der Elternrat.

Kritisiert wird die Methode. Denn es flossen nicht nur harte Daten wie der Anteil der Arbeitslosen vor Ort ein, sondern auch Ergebnisse aus Schüler- und Elternbefragungen. So sollten Kinder angeben, ob ihre Eltern stolz auf sie sind und sie für gute Noten loben. Und Eltern wurden nach der Zahl ihrer Bücher und Museumsbesuchen gefragt.

„Welches Kind gibt schon an, dass seine Eltern nicht stolz sind“, fragt die grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Sie bezweifelt die Objektivität der Erhebung. So wisse sie von Elterngruppen, die über Facebook verabredeten, gezielt nur wenige Bücher anzugeben. Es sei zweifelhaft, ob bildungsferne Familien diese Bögen verstanden, ausgefüllt und abgegeben haben, schreiben auch Elternräte aus Rahlstedt. Zudem sei fragwürdig, dass die Behörde bei Schulen eine Rücklaufquote von 20 Prozent als repräsentativ gelten lasse.

Die Behörde weist die Kritik zurück. „Dass Eltern die Befragung boykottiert haben, ist mit nichts belegt“, sagt Studienleiterin Martina Diedrich. Zudem seien die Eltern- und Schülerfragen nur zu einem kleinen Teil eingeflossen. Modellrechnungen hätten gezeigt, dass die Daten sehr robust seien. Diedrich: „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“ Auch hätten an fast allen Schulen 40 Prozent die Bögen ausgefüllt. Das gelte als repräsentativ.

Das Ziel sei ein gerechte Verteilung. „Das geht nur so“, behauptet Diedrich. Dafür habe man für jede Schule einen Wert ermittelt und diesen ins Verhältnis zu den anderen Schulen gesetzt. Es kann also sein, dass sich der Indexwert einer Schule verbessert hat, nur weil sich die Lage an anderen Schulen verschlechtert hat.  KAIJA KUTTER