Mehr Geld fürs kulturelle Prekariat

CITY TAX Die Koalition Freie Szene erhält Unterstützung

Vor zwei Jahren, im März 2011, hörte ich bei einer Diskussion im Radialsystem zum ersten Mal von dem Projekt, mithilfe der City Tax neues Geld für das kulturelle Prekariat Berlins zu gewinnen. Der Fonds Darstellende Künste stellte einen Report über die schlechte Bezahlung von Tänzern und Schauspielern vor. Seit zwei Jahren arbeiteten da schon mehrere Netzwerke darstellender Künstler an einem Konzept, Honoraruntergrenzen für Künstler einzuführen. Noch aber schien das entweder nur mit Umverteilung machbar zu sein oder durch Verzicht auf einen Teil von geförderten Projekten. Mit dem Vorschlag, die City Tax, eine von kulturhungrigen Berlintouristen zu erhebende Steuer, dafür anzuzapfen, konnte man diesem Dilemma entgehen.

Kurz darauf gründete sich die Koalition der Freien Szene. Sie wirbt seitdem bei Politikern dafür, mindestens 50 Prozent der City Tax, die eigentlich schon Anfang 2013 eingeführt werden sollte, nun aber auf sich warten lässt, in die Förderung der Freien Szene zu investieren. Man schenkt ihr auch Gehör; verbindliche Gesetzeskonstruktionen gibt es indes noch keine. Inzwischen hat die Koalition ein Programm erarbeitet, wie das neue Geld in Honorare, Infrastrukturen und Anschubpakete fließen könnte – und zwar für alle Sparten. Ihre letzte Aktion im April war, in die Berliner Senatsverwaltung ein Kuchenkommando mit halben Kuchenstücken zu schicken, um über gerechte Verteilung im Kulturhaushalt zu sprechen.

Jetzt erhält sie Unterstützung von einer Seite, die nicht nur halbe Kuchenstücke will. Es ist wohl ein Produkt der langen Ära Wowereit, dass sich mit „Haben und Brauchen“ 2011 eine zweite Plattform für unzufriedene Künstler bildete. Dieser Zusammenschluss entstand vor allem als Reaktion auf das Kokettieren des Berliner Kultursenators mit den Künstlern der Stadt, ohne Wesentliches an ihren Arbeits- und Lebensbedingungen zu ändern. Beide Initiativen sprechen mit zunehmend lauter Stimme.

KATRIN BETTINA MÜLLER